ZV Frankenberg gedenkt am 9. November 2022 der NS-Opfer

Am 9. November 2022 veranstaltete die Frankenberger Ortsgruppe der Jusos ihre alljährliche Reinigungsaktion der „Stolpersteine“. Die Mitglieder des ZV Frankenberg gestalteten diese Veranstaltung. Dr. Horst Hecker berichtete über die Entstehung des jüdischen Friedhofs in Frankenberg und die Bestattungsriten und erinnerte an die Schicksale der Bestatteten. Karl-Hermann Völker trug aus Paul Celans Gedicht „Todesfuge“ das Bild vom „Grab in den Lüften“ vor. Anschließend begab sich die Gruppe zur ehemaligen Synagoge, wo Dr. Hecker von den Menschen berichtete, die vor ihrer Deportation in diesem „Ghettohaus“ wohnen mussten.

 
 

Am Grab von Julius Bachenheimer: Der Röddenauer war 1939 einer der letzten Bürger, die auf dem jüdischen Friedhof Frankenberg beerdigt wurden. Dies erläuterte an seinem Grabstein Stadtarchivar Dr. Horst Hecker (rechts). Aus der Teilnehmergruppe wurde angeregt, auch den bisher nur in den Stolpersteinen benannten NS-Opfern eine Stele mit allen Namen zu widmen.

 
 
Julius Bachenheimer, deportiert nach Buchenwald
 
 

Judischer Friedhof, Gedenken am Pogromabend

 
 

 
 

Kein Grabstein erinnert an sie. Gedenken an NS-Opfer auf jüdischem Friedhof in Frankenberg

 

Selbst die Totenruhe und der Ort zum Trauern wurde den Opfern des nationalsozialistischen Terrorsystems genommen. Für die 2,7 Millionen in den Todeslagern ermordeten und in Krematorien verbrannten Juden gibt es keine Friedhöfe. Regionalhistoriker Karl-Hermann Völker zitierte zu Beginn des Gedenkens an den Pogromabend 1938 auf dem jüdischen Friedhof in Frankenberg aus Paul Celans Gedicht „Todesfuge“ das Bild vom „Grab in den Lüften“, als er gemeinsam mit Stadtarchivar Dr. Horst Hecker an diejenigen Frankenberger Bürger erinnerte, denen als NS-Mordopfer diese letzte Ruhestätte verwehrt worden war.

Eingeladen hatten zu einem Rundgang über den jüdischen Friedhof und von dort zur ehemaligen Synagoge im Scharwinkel, wo vor 80 Jahren die letzten Frankenberger Juden zur Deportation nach Theresienstadt abgeholt worden waren, die Frankenberger Jungsozialisten. Sie reinigen seit zehn Jahren alljährlich in der Pogrom-Gedenkwoche die 38 im Stadtgebiet verlegten Stolpersteine und erinnern dabei mit Fotos und Zeitzeugenberichten an Schicksale der von Rassenwahn und Menschenverachtung geprägten Hitler-Diktatur. „Wir halten es für besonders wichtig, dass junge Menschen diesen Teil unserer deutschen Geschichte kennen, um für Demokratie und Menschenrechte angesichts neuer Bedrohungen in der Welt einzutreten“, sagte Jessica Heß.

Von 1871 stammt der älteste Stein auf dem jüdischen Friedhof Frankenberg, 1939 fand vermutlich die letzte Beisetzung statt. Zu jüdischen Begräbnissitten damals wurde ein Bericht der Zeitzeugin Greta Rapp geb. Plaut verlesen. Ein Familiengrab erinnerte an die Familie Lissard und den mit dem Frankenberger Vereinsleben sehr verbundenen Arzt Dr. Albert Lissard (1866-1917). Am Grabstein von Julius Bachenheimer aus Röddenau (1887-1939) schilderte Stadtarchivar Dr. Horst Hecker dessen Deportation 1938 in das KZ Buchenwald, aus dem er als gebrochener Mann nach Hause kam und wenig später starb. Auch seine Frau und zwei Kinder kamen im Holocaust um.

An dieser Stelle berichtete die SPD-Landtagsabgeordnete Dr. Daniela Sommer von ihrem jüngsten Besuch in der Gedenkstätte Buchenwald. In Weimar erlebte sie anschließend eine Montagsdemonstration mit. „Es ist erschreckend, wenn bei Montagsdemonstrationen viele aus Protest mitlaufen und sich der Instrumentalisierung der Rechtsgesinnten nicht bewusst sind“, beobachtete sie. „Die Namen der Frankenberger, die vor 80 Jahren mit der letzten Deportation nach Theresienstadt gebracht worden sind, sollen uns daran erinnern, dass wir füreinander einstehen sollen und nicht wegschauen bei Hass und Hetze, Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und Vorurteilen. Auch wenn es in Krisenzeiten schwer zu fallen scheint: Gerade jetzt zählt das Zusammenhalten, das Zusammenstehen, das Miteinander und das Wahren unserer demokratischen Werte!“

Der letzten vorwiegend älteren jüdischen Bürger, die Wochen vor der Deportation 1942 noch ihre Häuser räumen, ihren Besitz abgeben und in der alten Synagoge als Ghettohaus zusammengepfercht leben mussten, wurde anschließend im Scharwinkel gedacht. Anschließend brachen die freiwilligen Helfer mit Metallputzzeug und Spezialschwämmen ins Stadtgebiet auf, um sämtliche 38 Stolpersteine mit den Daten der NS-Opfer zu reinigen. zve