Geschichte mit Augenzeugen: Die Ära Landrat Heinrich Kohl

50 Jahre später, fast auf den Tag genau als der frühere Landrat Heinrich Kohl zum Landrat gewählt wurde, befasste sich der Frankenberger Zweigverein für Hessische Geschichte und Landeskunde in seiner Veranstaltungsreihe „Frankenberg vor 50 Jahren – Geschichte mit Augenzeugen“ mit dem Leben und Wirken von des verdienstvollen Kommunal- und Landespolitikers. Man traf sich am historischen Ort: dem holzgetäfelten ehemaligen Kreistagssitzungssaal im Landratsamt Frankenberg.

„Es soll keine Gedenkveranstaltung werden,“ so der Vorsitzende des Geschichtsvereins Karl-Hermann Völker, „sondern ein Rückblick auf eine Zeit, die kommunalpolitisch deutlich durch den ehemaligen Landrat geprägt wurde.“ Durch die unterschiedlichsten Einblicke in das 24-jährige politische Wirken von Heinrich Kohl, das an diesem Nachmittag verschiedene Wegbegleiter beleuchteten, wurde gleichzeitig das Leben im Frankenberger Land in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wieder lebendig. Unter den Gästen konnte Karl-Hermann Völker auch Inge Kohl, die ehemalige „First Lady“ des Kreises Frankenberg und Ehefrau des früheren Landrats, sowie ihre Tochter Christiane Kohl mit Ehemann Klaus Brill und ihren Sohn Dieter Kollewe begrüßen.

Der aus Gilserberg stammende FDP-Politiker war am 26. Oktober 1953 zum Landrat in Frankenberg gewählt worden. Hierzu konnte schon zu Beginn des Gesprächsnachmittags, zu dem der Geschichtsverein eingeladen hatte, Gastwirt Heinrich (Heini) Vöhl die erste Anekdote erzählen. Er wusste, wo sich während des Wahlvorganges der Kandidat Heinrich Kohl in geheimer „Wartestellung“ befand, sodass er als strahlender Sieger informiert werden konnte.

17 Jahre blieb Kohl bis 1970 Landrat in Frankenberg. Gleichzeitig war er von  1950 bis 1970 Mitglied des Hessischen Landtages und von 1966 bis 1970 dessen Vizepräsident. Zusätzlich begleitete er von 1962 bis 1967 das Amt des FDP-Landesvorsitzenden. Nach seiner Amtszeit als Landrat war er von 1970 bis 1976 Staatssekretär im Hessischen Innenministerium und von 1974 bis 1977 Stadtverordneter in Frankenau. Als Staatssekretär hat er maßgeblich die Gebietsreform Anfang der 70er Jahre im gesamten Frankenberger Land geprägt.

Umrahmt von alten Bildern, Dias und Berichten wurde nicht nur das politische Leben, sondern auch der Mensch, der „Sohn seiner Heimat“, hinter dem konservativen Politiker mit progressiven Ideen, wie ihn Karl Hermann Völker, aber auch Kohls Tochter Christiane bezeichnete, sehr deutlich beschrieben.  

Von so manchen politische Entscheidungen und von der einstigen Autobahnplanung durch das Frankenberger Land bis hin zum Flugplatzbau in Allendorf, die der passionierte Pilot Kohl gefördert hat, wussten der ehemalige Kreisbeigeordnete Otto Nolte und der einstige „oberste Kassenwart“  des Kreises Frankenberg Hans-Otto Landau, zu berichten.  In seiner ihm eigenen unterhaltsamen Art trug auch Harbshausens ehemaliger Bürgermeister Karl Höbel mit seinen Anekdoten zum Gelingen des Nachmittags bei, als er von einen Besuch Heinrich Kohls aus der Zeit kurz nach der Landratswahl in Harbshausen erzählte und einer der Harbshäuser Bürger, der Kohl nicht kannte, fragte: „Sind sie Sommerfrischler?“ „Nein!“ Und weil sich Kohl weiterhin umsah, nachhakte: „Sind Sie vom Straßenbauamt?“ „Nein, ich bin der Landrat!“ Ungläubige Antwort: „Das kann ja jeder sagen.“

Begegnungen mit Politikern, das von der Politik geprägte Privatleben, die Verbundenheit mit dem ländlichen Raum, der Gesellschaft, den Traditionen und dem Brauchtum, dies alles wurde bei dem Nachmittag „Geschichte mit Augenzeugen“ mehr als lebendig. Dazu beigetragen hatte auch Ursula Steinlandt, die eine alte Tonbandaufzeichnung ihres Vaters mit einer Rede Kohls mitgebracht hatte.

Karl-Hermann Völker würdigte den früheren Landrat zum Abschluss der Veranstaltung, als er erklärte, dass Heinrich Kohl die Region geprägt, seine Ämter aber auch ihn verändert und geprägt hätten. Insgesamt habe ihm diese Region viel zu verdanken. Durch seine Lebensleistung und auch durch seine politische Arbeit als Landtagsabgeordneter habe er mindestens so viel Bedeutung für das Frankenberger Land gewonnen wie sein früherer Amtsvorgänger aus der Jahrhundertwende, der Landrat und  Geheimrat Friedrich Riesch. 

Jürgen Siegesmund


Der Gastwirt Heinrich Vöhl gehörte zu den Zeitzeugen, die im Frankenberger Zweigverein noch einmal die Ära des Landrats Heinrich Kohl lebendig werden ließen. Unter den Gästen sieht man im Vordergrund Inge Kohl, die Ehefrau des ehemaligen Landrats, gemeinsam mit Sohn Dieter Kollewe und Schwiegersohn Klaus Brill, links Tochter Christiane Kohl. (Foto: Siegesmund)