Ökumenischer Gedenkgottesdienst 60 Jahre nach Kriegsende

„Die ‚Brandwunde in der Heimatgeschichte Frankenbergs' soll mit dem heutigen Tag nicht neu aufgerissen werden, aber eine Narbe wird bleiben, die uns erinnert, welches kostbare Gut der Frieden ist und wie hoch der Preis ist, wenn man ihn verloren hat.“ Sehr nachdenkliche Worte richtete der evangelische Pfarrer Horst Schiffner in seiner Predigt am Abend des 12. März 2005 bei einem Ökumenischen Gottesdienst in der katholischen Kirche St. Maria Himmelfahrt an mehr als 300 Besucher, die sich zum gemeinsamen Gedächtnis an die Opfer des Bombenkriegs in Frankenberg vor 60 Jahren eingefunden hatten.

In dem geschützten Raum des Gotteshauses und doch in der Nähe des damaligen Geschehens, so der Geistliche, sollten Wege von der schmerzhaften Erinnerung zum Geheimnis der Versöhnung, zu Konsequenzen für die eigene Auseinandersetzung mit der Geschichte und zum Eintreten für den Frieden eröffnet werden. Gemeinsam mit seinem Amtsbruder Pater Laurentius Meißner und Christen der katholischen und evangelischen Kirchengemeinde schloss Pfarrer Schiffner in ein gemeinsames Fürbittengebet die mehr als 95 namentlich bekannten und unbekannt gebliebenen Bombenopfer vom März 1945 sowie alle Angehörigen, Zeitzeugen und Opfer von Gewalt und Terror mit ein.


An das schwere Erleben der Luftangriffe vor 60 Jahren erinnerten sich im Gedenkgottesdienst (von links) Erich Klinge, Ingrid Wiese, Luise Bittner, Ronald Schmitt, Karl Lohaus, Joy Thonet, Claus Thonet und Prof. Hanno Schmitt. (Fotos: Völker)

Vor dem Altar brannten Kerzen zur Erinnerung an die Todesopfer, am Kircheneingang erinnerten Bilder an die zerstörte Fabrik Thonet und auf der Chorwand zeigte Karl-Hermann Völker, der Vorsitzende des Frankenberger Geschichtsvereins, zur Einführung Dokumentarfotos aus den letzten Kriegstagen 1945. Völker ordnete die Luftangriffe vom 12. und 17. März 1945 in den historischen Zusammenhang eines bereits verlorenen Krieges, in dem immer noch Tausende von Menschen unter den Lügenparolen des „Endsieges“ von der NS-Regierung völlig sinnlos in den Tod getrieben worden seien.

Eindrucksvoll und persönlich bewegt erinnerten drei Zeitzeugen an die Geschehnisse in Frankenberg: Joy Thonet, die Seniorchefin der Firma Gebrüder Thonet, schilderte die Zerstörung der Fabrik und die chaotischen Tage bis zum Einmarsch der Amerikaner. Luise Bittner geb. Vollmer berichtete, wie sie beim Luftangriff nur durch zufällige Abwesenheit der Zerstörung ihres Elternhauses entkommen ist, während eine dorthin evakuierte Mitbewohnerin aber getötet wurde. Karl Lohaus, damals Führer der Frankenberger Hitlerjugend-Feuerwehr, beschrieb die bedrückenden Lösch- und Bergungsarbeiten.

Es gab am Rande des Gedenkgottesdienstes viele herzliche Szenen der Wiederbegegnung von Zeitzeugen und Angehörigen damals umgekommener Menschen. Die Kinder des beim Angriff verschollenen Fabrikdirektors Albert Schmitt Ingrid Wiese geb. Schmitt, Ronald Schmitt und Prof. Hanno Schmitt trafen erstmals wieder mit Joy Thonet und ihrem Sohn Claus zusammen. Der 77-jährige Erich Klinge (Viermünden), der als Lehrling von Direktor Schmitt vor dem Militärdienst bewahrt wurde und den Angriff in der Fabrik überlebte, schilderte ihnen seine Rettung. Nachfahren des Bahnbeamten Johannes Freitag, der am 17.3.1945 sein Stellwerk verließ und bei Bergungsarbeiten so schwer verwundet wurde, dass er zwei Wochen später an „Gasbrand“ starb, ließen seinen Namen nachträglich in die Liste der Opfer aufnehmen, die vor dem Fürbittengebet verlesen wurde.

Der Chor der Pfarrkirche St. Maria unter der Leitung von Gertrud Will und Rainer Pecher an der Orgel hatten ihre musikalischen Beiträge ganz auf Frieden, Tod und Ewigkeit abgestimmt.


Kerzenflammen erinnerten am Eingang der katholischen Kirche an die Frankenberger Bombenopfer vor 60 Jahren.


Nur noch eine Wand des Kesselhauses und der Schornstein blieben vom völlig zerstörten Werk der Gebr. Thonet nach dem Bombenangriff 1945 stehen.