Erinnerungen an die Kinderlandverschickung

Nach der fast vollständigen Zerstörung Kassels in der Bombennacht vom 22. Oktober 1943 wurden in Nordhessen über 100 Kinderlandverschickungslager für rund 4000 evakuierte Kasseler Schülerinnen und Schüler eingerichtet, darunter mehrere auch in Stadt und Altkreis Frankenberg. Als Elfjähriger erlebte Pfarrer i. R. Heinz Vonjahr diese Kinderlandverschickung nach Battenberg selbst mit. Er wurde dadurch zur ersten umfassenden Gesamtdarstellung unter dem Titel „Kinderlandverschickung – Kasseler Schulen 1943–1945“ in Nordhessen angeregt, erschienen in der Schriftenreihe „Nationalsozialismus in Nordhessen“ der Universität Kassel.

Der Zweigverein Frankenberg hat am 11. März 2005 aus Anlass der Rückschau auf das Kriegsende vor 60 Jahren diese Thematik aufgegriffen und Heinz Vonjahr zu einem Vortragsnachmittag in das Heimatmuseum eingeladen. Mit zahlreichen Fotos, Briefen, Zeichnungen und Archivalien gelang es ihm eindrucksvoll, das Bild einer Kriegskindheit nachzuzeichnen, die durch Lagerleben in Battenberg, Trennung von den Eltern, Heimweh, NS-Ideologie und fürsorgliche Lehrer, die auch für den Rückmarsch nach Kassel nach dem Zusammenbruch verantwortlich waren, bestimmt war.


Erinnerungen aus der Zeit der NS-Kinderlandverschickung tauschten (von links) Almuth Limmroth, Karl-Heinz Krause, Else Scheuch und Heinz Vonjahr im Frankenberger Geschichtsverein aus. (Fotos: Völker)

Als weiteren Zeitzeugen hatte Vonjahr aus Kassel Karl-Heinz Krause, einen ehemaligen Schüler der nach Gemünden ausgelagerten „Paul-von-Hindenburg-Schule“, mitgebracht, der seine Erfahrungen als Zwölfjähriger in den Baracken des Gemündener KLV-Lagers schilderte. Almuth Limmroth las aus den Lebenserinnerungen ihres verstorbenen Mannes, des bekannten Kasseler Karikaturisten Manfred Limmroth, der als Kind ebenfalls nach Battenberg verschickt worden war.

Am Rande der Veranstaltung des Frankenberger Geschichtsvereins kam es zu zahlreichen Begegnungen mit ehemaligen „Verschickten“ und ortsansässigen Zeitzeugen. So berichtete Else Scheuch aus Gemünden, wie am 24. April 1945 einheimische und Kasseler Kinder gemeinsam konfirmiert worden seien. Der Gemündener Klaus Schlerf erinnerte sich gemeinsam mit Karl-Heinz Krause an den Fußmarsch der Kinder nach Kassel.


Heinz Vonjahr erlebte die NS-Erziehung als Pimpf.


In Battenberg befand sich 1944 das KLV-Lager für Kasseler Schulkinder im Hotel Schneider.