Erst rot und grün, dann schwarz. Karin und Klaus-Dieter Arnold erläuterten Laisaer Tracht im Zweigverein
 
Kindheitserinnerungen: Dieses Püppchen mit kunstvoll bestickter Tracht, wie sie in Frohnhausen vor der Hohen Hardt 1935 getragen wurde, übergab Gunhild Armand aus Viermünden dem Heimatverein in Laisa (Fotos: Karl-Hermann Völker)
 

„Gut betucht“ zu sein – das war früher nicht nur das Bestreben feiner, wohlhabender Bürger. Auch bäuerliche Volkstrachten sollten im Alltag, vor allem aber an Festtagen den sozialen Stand und die Besitzverhältnisse ihrer Trägerinnen widerspiegeln. „Jede kleine Verzierung auf dem Stoff war Zeichen ihres Wohlstandes“, berichtete Klaus-Dieter Arnold im Museum im Kloster Frankenberg. Gemeinsam mit seiner Frau Karin Arnold führte der Vorsitzende des Laisaer Heimatvereins am 31. Januar 2020 in einem Vortrag mit vielen Kleidungsstücken und historischen Fotos in die Marburger Evangelische Tracht ein.

Nicht etwa Bayern, sondern Hessen sei mit 29 regionalen Trachtengebieten das an Vielfalt trachtenreichste Bundesland, erklärte zu Beginn Klaus-Dieter Arnold und verwies auf derzeit 160 Gruppen mit 17 000 Mitgliedern. In Laisa, wo bis im vorigen Jahrhundert Trachten noch täglich bei der Arbeit getragen wurden, werde durch die Trachtengruppe die Tradition von Tracht und Volkstanz weiterhin lebendig erhalten, vor allem durch das alle sieben Jahre stattfindende Rückersfest – geplant im Jahr 2020 wieder vom 11. bis 13. April (Anm.: Leider wegen Corona-Pandemie ausgefallen.). Dann werden 40 Jungen und Mädchen in Tracht beim „Webetanz“ auf der Bühne stehen.

„Ich kannte meine Oma nur in Tracht“, hatte Karin Arnold als Motto über ihren Vortrag gestellt. Sie zeigte dabei Fotos ihrer Großmutter mit ihrer ersten Sonntagstracht zur Konfirmation, dem „Anzug“ mit Rock und Stülpchen als Zeichen für den Eintritt ins Erwachsenenalter, aber auch mit dem Beiderwandrock an der Seite der Fahrkühe auf dem Weg zum Feld. „Dass viele der Feiertagstrachten erhalten geblieben sind, liegt daran, dass sie nach dem Kirchgang gleich wieder in den Schrank gehängt wurden“, berichte die Laisaer Trachtenexpertin. Man hätte solche Kleidungsstücke mit ihren kunstvoll gewebten oder bestickten, farbigen Borten und feinen Fältelungen auch niemals waschen dürfen, lediglich das Leinenunterhemd. „Im Frühling wurde alles einmal rausgehängt und gelüftet.“

Karin Arnold schilderte die Arbeit der Frauen, die sich mit solchen kunstvollen Näharbeiten ihren Lebensunterhalt verdienten, aber auch die eigenen Handarbeiten aller Frauen an Winterabenden. Fest vorbestimmt im sozialen Gefüge des Dorfes waren die Trachtenfarben Rot oder Grün für junge Mädchen, Schwarz für die verheiratete Frau. „Mit der Verheiratung nahm die Farbintensität im Lebensweg der Trägerin ab, bis sie nur noch Schwarz trug“, schilderte Karin Arnold. „Harte Trauer“ verlangte ein Jahr absolutes Schwarz, das erst nach vier Jahren wieder aufgelockert werden durfte. Männer trugen im Oberen Edertal im Sommer weiße Schnitterhosen, darüber einfache, blaue Kittel als Überwurf für die Feldarbeit – später aufwertend als „Hessenkittel“ bezeichnet.

In der bis auf den letzten Platz besetzten Mauritiuskapelle des Frankenberger Museums kam es während des Vortrags des Ehepaars Arnold zu einem lebhaften Dialog mit den Zuhörern, die vor allem die mitgebrachten Textilstücke selbst „anfühlen“ wollten. Ruth Piro-Klein vom Frankenberger Geschichtsverein bedankte sich für den „wertvollen Beitrag zur Kulturgeschichte“ und überreichte den Referenten Buchgeschenke.

 
 
Eine 100 Jahre alte Laisaer Kindertracht: Karin und Klaus-Dieter Arnold zeigten sie bei ihrem Vortrag über die Marburger Evangelische Tracht im Frankenberger Geschichtsverein. Im Hintergrund sieht man das Bild von Großmutter Katharine Becker („Kalles“), die als Trachtenträgerin von beiden oft erwähnt wurde.
 

Ein Püppchen von 1935 mit besonderen Erinnerungen

Ein Stück Frohnhäuser Dorfgeschichte wurde lebendig, als sich überraschend am Ende des Vortrags der Laisaer Trachten-Experten Gunhild Armand (Viermünden), Mitglied des Frankenberger Geschichtsvereins, meldete. Sie brachte aus ihrer Kindheit in Frohnhausen zwei Trachtenpuppen mit, davon eine besonders wertvolle und schöne mit besonderer Bedeutung.

Der Männergesangverein Frohnhausen schenkte sie Weihnachten 1935 ihrem Vater, der dort seit Mai 1934 die Volksschule leitete, für sein im Mai geborenes Töchterchen Gunhild. Der junge Lehrer Fritz Eckhardt hatte mit dem Umzug nach Frohnhausen und dem Dienst in der Schule auch die Leitung des dortigen Männerchors übernommen und Weihnachten 1934 zum ersten Mal mit dem MGV in der „Lichterkirche“ gesungen.

„Singen und Chorarbeit waren seine großen Leidenschaften“, erinnerte sich Gunhild Armand. „Das ‚Übungslokal‘ war die Schule. Vaters zweites Steckenpferd war die Gartenarbeit.“ Fritz Eckhardt legte deshalb im März 1936 am Eifaer Berg linkerhand vom alten Hochbehälter sogar einen eigenen Schulgarten an, in dem auch Heil- und Küchenkräuter sowie Maulbeerbäume für die Seidenraupenzucht wuchsen. 1941 wurde Lehrer Eckhardt nach Rennertehausen versetzt.

Der Weggang von Frohnhausen fiel der jungen Gunhild Eckhardt damals schwer, weil die Verbindung zum Dorf so eng war. Das Trachtenpüppchen aus ihrem ersten Lebensjahr hat sie deshalb bis heute besonders in Ehren gehalten, „zumal mich sein Gesicht immer an ‚Ecke-Wolfs‘-Mariechen erinnert hat“, erzählte sie lachend beim Frankenberger Geschichtsverein. Die jetzt 85-jährige Viermündenerin wollte es nun in gute Hände geben. Der Heimatverein Laisa, spezialisiert auf die Dokumentation und Pflege der einheimischen Tracht, will die Puppe im Dorfmuseum in einer Vitrine ausstellen, wie Karin Arnold mit Dank versicherte.

Karl-Hermann Völker

 
 
Fachkundiges Publikum: Die Besucher des Trachtenvortrags informierten sich anschließend bei Karin Arnold besonders interessiert für textile Techniken, die früher in der Trachtennäherei auf den Dörfern zu den Fertigkeiten der Frauen gehörten.