Mutter und Lehrerin Marias. Prof. Dr. Annedore Prengel (Potsdam) sprach über die heilige Anna

Auf vielfältigen Kunstwerken wird die heilige Anna als liebevolle Lehrerin ihrer Tochter, der Jungfrau Maria, beim Lesen von Büchern dargestellt. An die heilige Anna erinnern auch in Frankenberg und Gemünden/Wohra Kapellen, ein ganzer Geschichtenkosmos von Legenden rankt sich um diese Figur. Aber: „Die Annen-Forschung weist noch viele blinde Flecken auf“, wie Dr. Annedore Prengel, emeritierte Professorin an der Universität Potsdam im Januar 2017 bei einem Vortrag beim Frankenberger Geschichtsverein im Kreis-Heimatmuseum berichtete.

Mit einer Fülle von Bilddokumenten aus Ägypten und Europa, darunter die erste Annen-Darstellung mit Maria und dem Jesuskind („Anna Selbtritt“) auf deutschem Boden in der St.-Nikolai-Kirche Stralsund, zeichnete die aus Frankenberg stammende Erziehungswissenschaftlerin Prof. Prengel das Bild einer zärtlichen Mutter-Tochter-Beziehung. Zugleich sei diese künstlerische Darstellung einer lesenden Frau als Bildprogramm immer wieder Zeichen für das im Mittelalter bereits geltende Interesse an hoch gebildeten Frauen. „Anna ist ikonografisch die bedeutendste Lehrerin“, erklärte Annedore Prengel.

In den vier Evangelien des Neuen Testaments kommt Anna nicht vor, sondern lediglich in mehreren apogryphen (nicht in den biblischen Kanon aufgenommenen) Schriften des 2. bis 6. Jahrhunderts. Bilder und Geschichten um diese Figur seien jeweils Zeugnisse ihrer Zeit, insbesondere die vielen Legenden, berichtete Prof. Prengel, und Teil des tradierten Marienlebens. Vielfach werde auch, besonders schön in der Elisabethkirche von Marburg zu sehen, die gesamte „heilige Sippe“ mit Anna im Zentrum dargestellt.

 
 
Zärtliche Mutter und kluge Lehrerin: Kunstvolle Darstellungen der heiligen Anna und ihrer Tochter Maria im Umgang mit Büchern gehörten zum Vortrag, bei dem Prof. Dr. Annedore Prengel im Frankenberger Geschichtsverein den Blick auf die lesende Frau im Mittelalter richtete. Fotos: Völker
 

Wie allgegenwärtig Anna als Heilige in der Volksfrömmigkeit früherer Jahrhunderte war, zeigt auch die überlieferte Legende mit dem Gelübde des Jurastudenten Martin Luther, der, nachdem der Blitz neben ihm eingeschlagen hatte, spontan rief: „Hilf du, Heilige Anna, ich will ein Mönch werden!“

In der an den Vorschlag anschließenden Diskussion wurden immer wieder Bezüge zu der Heiligenfigur Anna in der regionalen Geschichte hergestellt. Besucher aus Gemünden/Wohra erinnerten an den vor der Reformation beliebten Pilgerort Kapelle an der St.-Anna-Quelle, die später zum Wasserspender für das heutige Schwimmbad wurde.

Peter Dreyer, Sprecher des katholischen Pfarrgemeinderats „Mutterschaft Mariens Gemünden“, kündigte in Frankenberg an, dass in diesem Jahr die in der Tradition der mittelalterlichen St.-Anna-Kapelle 1957 erbaute katholische Kirche ihr 60-jähriges Bestehen feiern werde. Dies werde in Gemünden, wo mehrere Ortsbezeichnungen den Namen „Sankt Anna“ tragen, die Heiligenfigur – nun auch als eine Lehrerin der Jungfrau Maria – in den Blickpunkt rücken. Ein Festgottesdienst zum 60. Weihetag der Kirche in Gemünden ist für Ostermontag, 14. April 2017, ab 10.30 Uhr vorgesehen.

Karl-Hermann Völker

 
 
Mit den Zuhörern erörterte Prof. Dr. Annedore Prengel im Anschluss an ihren Vortrag durch Flur- und Kapellennamen noch im kollektiven Gedächtnis der Region verankerte Reste eines St.-Anna-Kultes.