Emanzipation mit dem Stimmzettel. Ruth Piro-Klein schilderte im Zweigverein „100 Jahre Frauenwahlrecht“

Es war der Vorabend eines historischen Jubiläumstages, an dem der Frankenberger Geschichtsverein zum Vortrag von Ruth Piro-Klein (Bottendorf) mit dem Titel „100 Jahre Frauenwahlrecht“ in das Museum im Kloster eingeladen hatte: Am 19. Januar 1919 wählten auch in Frankenberg erstmals Frauen in gleichen und geheimen Wahlen die verfassungsgebende Nationalversammlung der Weimarer Republik mit. Bis dahin durften nur Männer ab 25 den Reichstag wählen, während für den preußischen Landtag sogar noch bis 1918 das Dreiklassen-Wahlrecht galt.

„Das war endlich die Emanzipation mit den Stimmzetteln“, berichtete Ruth Piro-Klein. Mit vielen Bildern, Daten und Zeitzeugnissen beschrieb sie zunächst den schwierigen Weg dorthin, die vergeblichen Versuche von deutschen Frauenrechtlerinnen im 19. Jahrhundert. „Menschenrechte haben kein Geschlecht“, hatte die Schriftstellerin Hedwig Dohm schon 1873 erklärt.

 
 
Plakate als Zeitdokumente: Den langen Weg zur Gleichberechtigung der Frauen von 1919 bis heute beschrieb Ruth Piro-Klein, stellvertretende Vorsitzende des Frankenberger Geschichtsvereins, bei einem reich bebilderten Vortrag im Museum im Kloster. (Foto: Karl-Hermann Völker)
 

Die Referentin schilderte, wie mit der Novemberrevolution von 1918 endlich das Wahlrecht für Frauen eingeführt wurde und nun auch in Frankenberg der Vaterländische Frauenverein „Frauen und Jungfrauen“ zu Wahlversammlungen einlud, ebenso Friedrich Kugel und andere örtliche Parteivertreter an Frauen appellierten, ihr neu gewonnenes Wahlrecht wahrzunehmen.

Unter den 423 Abgeordneten dieser ersten Nationalversammlung 1919 waren dann nicht mehr als 37 gewählte Frauen – 300 hatten kandidiert, wie Ruth Piro-Klein berichtete. Sie hob besonders die Lebensleistung von Maria Juchacz (1879–1956) hervor, der als erster weiblichen Abgeordneten in der Geschichte in der Nationalversammlung das Wort erteilt wurde.

 
 
Wahlaufruf im Januar 1919: In dieser Anzeige der Frankenberger SPD wurden erstmals ausdrücklich auch die neuen Wählerinnen angesprochen.
 

Während der Nazi-Diktatur verloren Frauen in Deutschland wieder das passive Wahlrecht. Ruth Piro-Klein schilderte den Neubeginn nach 1956 und erinnerte an „Mütter des Grundgesetzes“ wie Elisabeth Selbert (1896–1986), die den Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ durchsetzten. Erste Frauen in politischen Ämtern in Frankenberg waren Dr. Elisabeth Bichmann, FDP-Stadtverordnete und Kreistagsabgeordnete, Hedwig Macher und Cläre Quella 1948 in der Stadtverordnetenversammlung.

Die Vortragende, selbst als Mandatsträgerin im Kreistag von Waldeck-Frankenberg aktiv, bedauerte die immer noch nicht gleichberechtigte Arbeits- und Einkommenssituation von Frauen heute: „Deutschland liegt in der EU auf Platz 26 der Einkommensgleichheit!“ Ruth Piro-Klein zeigte Bilder von erfolgreichen Repräsentantinnen in Bundes- und Lokalpolitik, kritisierte aber zugleich, dass verbindliche Frauenquoten in Aufsichtsräten beispielsweise fehlten. Im Bundestag seien unter 709 Abgeordneten 246 Frauen, das seien leider nur 30,7 Prozent.

Es gab am Ende des Vortrags großen Beifall und eine lebhafte Diskussion, in der unter anderem die Forderung erhoben wurde, endlich mehr Straßennamen nach herausragenden Frauen zu benennen.

Karl-Hermann Völker