Es war ein geschichtlich sehr informativer und
zugleich ungemein amüsanter Vortrag, den Karl-Heinz Hartmann
im Frankenberger Zweigverein über das historisch verbürgte
Treffen der Gräfin Caroline von Hatzfeld (1779-1832) mit Napoleon
im Charlottenburger Schloss in Berlin hielt. Zu der Veranstaltung
kamen auch viele Gäste aus Hatzfeld, die diesen Ausflug in
einen Teilbereich ihrer Stadtgeschichte mit verfolgen wollten.
Dabei ging es weniger um Napoleon und die von ihm bis heute ausgehende
Faszination, sondern, wie Hartmann sagte, „...mich interessiert
mehr die Geschichte hinter der Geschichte, welche Wirkungen und
Auswirkungen sie auf den weiteren Verlauf der Dinge hatte –
kurz mich interessiert das 'Betriebssystem' geschichtlicher Abläufe“.
Zur Einführung des Themas führte er zunächst seine
Zuhörer in die genealogischen Zusammenhänge des edelfreien
Geschlechts derer von Hatzfeld(t) ein. Dabei ging er zurück
in deren Anfänge, als sie wahrscheinlich schon im 12. Jahrhundert
einen Hof in der Nähe der Hatzfelder Emmauskapelle bewohnten.
Hartmann schlug in seinen Ausführungen einen weiten Bogen über
die im Mittelpunkt stehende Gräfin Caroline von Hatzfeld bis
zum heutigen Besitzer der Hatzfelder Burgruine Sebastian Graf von
Hatzfeldt.
Amüsant schilderte Hartmann die Begegnung der Gräfin mit
Napoleon, eine Audienz, in der es die Gräfin schaffte, den
ihren Mann belastenden Brief im Kaminfeuer verschwinden zu lassen
und damit die unverzügliche Freilassung ihres Mannes zu erreichen.
Facettenreich war das literarische Echo: phantasievoll ausgeschmückten
Anekdoten, die sich um diese halbstündige Unterredung ranken.
Je nach politischer Konstellation und Zeitgeist fiel dabei die Darstellungsweise
unterschiedlich aus. So wurde noch in der Kaiserzeit in einer Anekdote
Napoleon als Kavalier der alten Schule mit den Worten dargestellt:
„...und als sie dann endlich aus dem Traum ihrer kühnen
Handlung erwachte, da war es, als ob Napoleon ihr wie einer Schwester
fast gütig und auch ein wenig scherzhaft zugelächelt habe.“
Ganz anders in der Nazizeit, als die Anekdote propagandistisch ausgeschlachtet
wurde, so Hartmann. Da ist dann in Zitaten die Rede vom „korsischen
Eroberer ... der seinen Fuß in Preußens Nacken gesetzt
hatte.“ „...der stets kurzen Prozess machte –
auch mit dem Fürsten Hatzfeld, wenn da nicht sein tapferes
Weib gewesen wäre.“ Natürlich, so erklärte
Hartmann, war die französische Erzählperspektive zu dieser
Begebenheit wiederum ganz anders. Hier wird Napoleon stets großmütig
und großherzig dargestellt.
Karl-Heinz Hartmann überraschte die Zuhörer mit einem
bisher nicht veröffentlichtem Brief Napoleons an die Gräfin
Hatzfeld, in dem der Empereur schreibt: „In allen Fällen,
wo ich Ihnen dienlich sein kann, können Sie sich an mich wenden
und Sie werden mich immer bereit finden, Ihnen behilflich zu sein.“
Es war aber nicht nur die „Napoleon-Gräfin“, mit
der der Referent aufwartete, sondern auch mit deren Tochter, der
„roten Gräfin“ Sophie von Hatzfeld (1805 –
1881), deren Rolle als langjährige Lebensgefährtin des
bedeutenden Arbeiterführers und Agitators Ferdinand Lasalle
in der Geschichte noch bekannter ist.
Einen weiteren genealogisch interessanten Hinweis gab Karl-Heinz
Hartmann auf die familiären Verbindungen der Hatzfelder Grafen
bis hin zu der im Jahr 2002 verstorbenen, hoch geschätzten
„ZEIT“-Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff
reichten.
Jürgen Siegesmund
|