Hospitalgeschichte aus europäischer Sicht

Kolloquium in Haina und Frankenberg erinnerte an Philipp den Großmütigen

 

Es ging um „Aussätzigenspitäler“, „Siechenhäuser“ oder „Gasthäuser für Sinnenlose“, um Arzneien wie „Muskatenöl“ und „Pestilenzwurzeln“. Ein Wochenende lang beschäftigten sich in Haina/Kloster europäische Medizinhistoriker verschiedener Fachrichtungen mit der Geschichte des Hospitals am Beginn der Neuzeit, angeregt durch die Hospitalstiftungen des Landgrafen Philipp von Hessen, dessen 500. Geburtstag im kommenden Jahr landesweit festlich begangen werden soll. Der Kapitelsaal und das Refektorium des ehemaligen Hainaer Klosters, die Mauritiuskapelle und die Hospitalkirche in Frankenberg boten als Tagungs- und Exkursionssorte für die Gäste aus mehreren europäischen Ländern das entsprechende Ambiente mit geschichtlichem Lokalkolorit.

Als Initiatoren des internationalen Kolloquiums hatten Dr. Arnd Friedrich (Dodenhausen), Dr. Fritz Heinrich (Bad Wildungen) und Dr. Christina Vanja (Kassel) in das Zentrum für Soziale Psychiatrie des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen in Haina eingeladen. Gastgeber am letzten Tag war der Zweigverein Frankenberg für hessische Geschichte und Landeskunde, der die Tagungsteilnehmer, aber auch Gäste aus ganz Nordhessen in der Mauritiuskapelle des ehemalige Zisterzienserinnenklosters St. Georgenberg willkommen hieß. Ein Gesprächskonzert mit Prof. Dr. Gerhard Aumüller (Marburg) zum Thema „Musik im Kloster und im Hospital“ in der Frankenberger Liebfrauenkirche ließ das Historikertreffen stimmungsvoll ausklingen.

Bezüge zwischen hessischer Hospitalgeschichte und modernen Problemen des Gesundheitswesens wurden nicht nur in den Vorträgen der Fachwissenschaftler deutlich, sondern auch in den Grußworten, die Vertreter aus Politik und Institutionen an die Tagungsteilnehmer richteten: Dr. Peter Barkey, Vorsitzender der Betriebskommission des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Kreisbeigeordneter Otto Wilke für den Landkreis Waldeck-Frankenberg und Staatsministerin a. D. Ruth Wagner würdigten den Ansatz, ein Stück hessischer Medizin- und Sozialgeschichte in einen europäischen Vergleichsrahmen zu stellen. Die Ergebnisse der Tagung sollen in einem Sammelband zum Philipps-Jubiläum veröffentlicht werden.

Sichtbar wurde in vielen der Fachvorträge, die sich zumeist ausdrücklich auch auf die Situation des Hospitals in Haina bezogen, dass dort dank des wohl erhaltenen Archivs die Quellenlage besonders gut ist. Dies betonte auch Prof. Dr. Robert Jütte, der in der Hainaer „Winterkirche“ einen sehr lebendigen  öffentlichen Vortrag über die Kölner Spitäler „Weite Tür“ und „Revilien“ um 1615 hielt. Während man heute im Krankenhauswesen Personalkosten von etwa 67,1 Prozent ansetze, sagte Prof. Jütte mit einem Seitenblick zum Hainaer LWV-Betriebsleiter Jürgen Hammerschlag, sei im 17. Jahrhundert die Hospitalküche größter Kostenfaktor (60 Prozent) gewesen. Der Medizinhistoriker machte die Wandlung des Spitals alten Typs zum modernen Krankenhaus, aber auch die neue Definition des Kranken in einer Gesellschaft mit immer mehr „Anstaltsmedizin“ deutlich.

Einzeldarstellungen von Hospitälern in Europa, Rechts- und Verwaltungsfragen, medizinische Versorgung, Patientengeschichte, Religion, Musik und Theater waren die Schwerpunkte des Kolloquiums, das am dritten Tag in Frankenberg mit einem Stadtrundgang unter Leitung von Peter Unglaube (Hachborn) zu Ende ging. Der Historiker zitierte dabei anschaulich vor Ort Wigand Gerstenbergs Stadtchronik und schilderte das Frankenberger Elisabethenhospital wie auch das Augustinerinnenhaus.

Karl-Hermann Völker


Der historische Philippstein in der Klosterkirche von Haina war das optische Leitmotiv für die Fachtagung zur europäischen Hospitalgeschichte, zu der (von links) Dr. Fritz Heinrich, Dr. Christina Vanja, Dr. Arnd Friedrich und LWV-Betriebsleiter Jürgen Hammerschlag namhafte Wissenschaftler nach Haina/Kloster eingeladen hatten. (Foto: Völker)