Lehrer Conrad Liese und das detonierende Meteor von Treysa

Der 3. April 1916 ist, während der Erste Weltkrieg tobt, im Kreis Frankenberg, ein herrlicher Frühlingstag mit strahlend blauem, wolkenlosem Himmel. Ein plötzlicher Donnerschlag lässt den Schreufaer Lehrer Conrad Liese bei seinem gewohnten Rundgang zusammenzucken. Die Detonation hatte jedoch, wie sich später heraus stellt, eindeutig nichts mit dem Krieg zu tun. Die Ursache war der Niedergang eines Meteoriten mit einem Durchmesser von 36 Zentimetern und einem Gewicht von 63,28 Kilogramm.


Spannend und anschaulich erzählte Karl-Heinz Hartmann (links) über das Leben des einstigen Schreufaer Lehrer und Wetterforschers Conrad Liese, der mit renommierten Wissenschaftler, wie Alfred Wegener korrespondierte. Deren Fotos präsentierte Hartmann gemeinsam mit dem Enkel Horst (Mitte) und dem Urenkel Holger. Fotos: Völker

Dieser Meteorit, die Suche nach ihm, die Beobachtungen sowie die Berechnungen des einstigen Schreufaer Lehrers und Hobbymeteorologen, der in Fachkreisen hoch angesehen war, standen bei einem Vortragsnachmittag des Frankenberger Zweigvereins am 7. Oktober 2005 im Mittelpunkt des Interesses. Unter dem Titel „Das detonierende Meteor von Treysa", wie eine damalige Fachpublikation hieß, ließ Karl-Heinz Hartmann das meteorologische Ereignis in Verbindung mit dem Leben und Wirken des ungewöhnlich vielseitigen und engagierten Lehrers Liese lebendig werden.


Mit der Schreufaer Schuljugend ließ sich Lehrer Conrad Liese 1927
vor dem Wasserhochbehälter des Dorfes fotografieren. Bei seinen
langjährigen Wetterbeobachtungen halfen ihm seine Schüler als „Messjungen“ mit.

In der nahezu voll besetzten Mauritiuskapelle des Frankenberger Heimatmuseums konnte Geschichtsvereinsvorsitzender Karl-Hermann Völker als Gäste auch den Enkel und einen Urenkel von Conrad Liese begrüßen, die eigens zu diesem Vortrag von Niedenstein nahe bei Kassel angereist waren. Aber auch ein paar einstige Schüler von Liese aus Schreufa gehörten zu den aufmerksamen Gästen des Geschichtsvereins.


Einen Abguss des bei Rommershausen nieder gegangenen Meteoriten
kann man im Mineralogischen Museum Marburg sehen.

Hartmann wusste in sehr lebendiger Form die Vielseitigkeit von Conrad Liese, der von 1913 bis 1941 in Schreufa als Lehrer, Chorleiter und Organist wirkte, darzustellen. Liese war gleichzeitig Vorsitzender der Lehrervereinigung, Lektor, Orgelsachverständiger, Heimatschriftsteller, Landwirt und nicht zu letzt Mitarbeiter bei verschiedenen Zeitungen. Sein besonderes Interesse galt jedoch mit seiner privaten Wetterstation der Wetterkunde. Seine jetzt wieder aufgetauchten präzisen und lückenlosen meteorologischen Aufzeichnungen in dem Schreufaer Wetterbuch sind für Meteorologen eine wahre Fundgrube mit zusätzlichen naturkundlichen Beobachtungen und Besonderheiten. Mit vielen bekannten Wissenschaftlern, wie Professor Dr. Franz Richarz, dem bekannten Polarforscher Professor Dr. Alfred Wegener oder dem Entdecker der Stratosphäre Wilhelm Trabert, stand der Schulmeister in ständiger Korrespondenz. Darüber hinaus machte er mit ebenso vielen Publikationen auf sich aufmerksam. Wie Hartmann erläuterte, war Liese der erste deutsche Pädagoge, der seit 1902 praktische Wetterkunde im Unterricht betrieb.


Gewürdigt wurde im Frankenberger Zweigverein auch die Arbeit des Polarforschers Alfred Wegener,
der die Fundstelle des Treysaer Meteors ermittelte.

Spannend waren während des Vortrages von Hartmann auch die Schilderungen zur Suche nach dem am 3. April 1916 niedergegangenen Meteors, zu dessen Auffinden Liese beigetragen hatte. Entdeckt wurde er schließlich im Wald bei dem Schwälmer Ort Rommershausen nahe Treysa durch einen Holzfäller. Es war das erste Mal, dass ein kosmischer Körper gefunden wurde, dessen Fallort berechnet worden war. Heute ist er im Mineralischen Museum in Marburg zu bewundern. Hartmann nutzte die Schilderung über die Suche nach dem Meteoriten auch dazu, um gleichzeitig auf das Leben und Wirken des Polarforschers und Entdeckers der Kontinentaldrift Alfred Wegener einzugehen, der ebenfalls maßgeblich an der Suche nach dem Meteoriten beteiligt war.

Jürgen Siegesmund