Gotteslob mit 3000 Pfeifen. Kirchenmusiker und Geschichtsverein schilderten „50 Jahre Böttner-Orgel“
 
50 Jahre Böttner-Orgel: Mit historischem Rückblick, Gottesdienst und Familienkonzert, die aus Corona-Vorsorge mit begrenzter Teilnehmerzahl und Video-Projektionen von der Orgelempore im großen Kirchenraum organisiert waren, wurde das Orgeljubiläum begangen. Die Kantoren Nils-Ole Krafft (links) und Beate Kötter (rechts) begrüßten dazu auch als Zeitzeugen Orgelbaumeister Christoph Böttner (2. von links) und den langjährigen Frankenberger Kantor i. R. Martin Naumann. (Fotos: Karl-Hermann Völker)
 

„Ich hatte immer Respekt vor Wolfgang Böttner: vor seinem Wissen, seinen liturgischen Kenntnissen, seiner Lebenserfahrung, seiner rhetorischen Begabung, seiner Menschlichkeit und seinem Verständnis für andere.“ So würdigte am 24. Oktober 2020 in der Frankenberger Liebfrauenkirche Kantor i. R. Martin Naumann (82), der an der Liebfrauenkirche von 1965 bis 2001 als Kirchenmusiker wirkte, den Orgelbaumeister Wolfgang Böttner (1925–2006).

Gemeinsam mit ihm hatte Naumann ab 1968 die Disposition für ein neues Orgelwerk mit rund 3000 Pfeifen entwickelt, das vor genau 50 Jahren in der Liebfrauenkirche eingeweiht wurde und ein Wochenende lang im Mittelpunkt des Jubiläumsfestes „50 Jahre Böttner-Orgel“ stand. Dabei bestimmten zwar die Corona-Hygienemaßnahmen mit beschränkter Teilnehmerzahl, großen Abständen im Kirchenraum und Videoprojektionen auf der Großleinwand statt direktem Kontakt den äußeren Rahmen. Aber es entstand dennoch eine von Erinnerungen geprägte, sehr herzliche Atmosphäre, für die vor allem die Zeitzeugen des Orgelbaus von 1970 wie Martin Naumann oder Christoph Böttner, Sohn und Berufsnachfolger des damaligen Orgelbaumeisters, sorgten.

Zu einer Orgelgeschichte mit Zeitzeugen hatten zum Auftakt die Kirchenmusiker gemeinsam mit dem Frankenberger Geschichtsverein eingeladen. Naumann schilderte, in welch desolatem Zustand er bei Dienstantritt 1965 die ursprünglich so prächtige Seuffert-Orgel von Kloster Grafschaft, erworben 1812, in Frankenberg antraf. Unsachgemäße Umbauten, Kriegs-Einschmelzungen und Heizungsschäden hatten ihren Charakter zerstört. Christoph Böttner zeigte dazu Fotos aus den Bauphasen und erläuterte die Disposition des Orgelwerks.

Zuvor hatte Karl-Hermann Völker mit Bildern und Dokumenten die Geschichte der Vorgängerorgeln – die erste wurde von Wigand Gerstenberg bereits 1381 erwähnt – illustriert. Kirchenmusik habe eine besondere Blüte im 18. Jahrhundert erlebt, als Schulmeister, Bürgermeister und Ratsschöffen in einem „Collegium musicum“ allsonntäglich ein neues Werk aufführten. „Davon zeugt im Staatsarchiv Marburg ein Schatz von über 100 Frankenberger Noten-Handschriften“, berichtete Völker, darunter auch zwei seltene Telemann-Kantaten.

In seinen Vorschlag, bei diesem Orgeljubiläum „besonders auch an die Menschen zu denken, die hier zum Lobe Gottes spielten und sangen“, stimmte Kantor Naumann mit ein: „Ich habe großes Glück gehabt, dass schon in meiner Dienstzeit und auch heute so viele Leute die Kirchenmusik weitergetragen haben.“

Zu Beginn und am Schluss demonstrierten die Kantoren Nils-Ole Krafft und Beate Kötter den Klangreichtum der Böttner-Orgel mit zwei Orgelwerken von Buxtehude und Bruhns, die am 25. Oktober 1970 im Einweihungsgottesdienst erklangen. Organist damals: Martin Naumann. Diesmal war er Ehrengast und Zuhörer.

 
 
Orgelmusik an der Liebfrauenkirche: Kantorin Beate Kötter erinnerte in ihrer Schilderung der Kirchenmusik heute auch an alle Organisten, die vor ihr von 1945 bis heute hier spielten: Hermann Böttner, Erich Tripp, Helmut Hemmerich, Jutta Kocks, Ann-Margret Schulze, Martin Naumann, Irene Tripp, Alexander Meyer, Marc Neufeld, Daniel Gárdonyi und Nils-Ole Krafft.