Ein Waldeckischer Pfarrer im Widerstand

Gestapo-Spitzel auf der Kirchenbank, Landjäger, die dem Pfarrer den Eintritt in das Gotteshaus verwehren, Notzusammenkünfte im Pfarrhaus – so stellte sich der Kirchenkampf zwischen Pfarrer Wilhelm Menge und dem NS-Regime im waldeckischen Nieder-Ense von 1933 bis 1936 dar. Der Frankenberger Zweigverein für hessische Geschichte und Landeskunde stellte das Schicksal dieses Geistlichen in den Mittelpunkt einer Veranstaltung, die dem Widerstand der Bekennenden Kirche in der Willkürherrschaft der Nazi-Zeit gewidmet war.


Michael Hederich (links) stellte im Frankenberger Kreis-Heimatmuseum die von ihm verfasste Biografie des Pfarrers Wilhelm Menge vor. Mit ihm im Bild ist die stellvertretende Geschichtsvereinsvorsitzende Ruth Piro-Klein und Dr. Jürgen Römer, Schriftleiter der Waldeckischen Historischen Hefte. (Foto: Völker)

„Es gibt bald keine Augenzeugen mehr, die wie meine Generation diese Zeit noch persönlich erlebt haben“, meinte zu Beginn seines Vortrages Pfarrer i. R. Michael Hederich (Ahnatal), der kürzlich unter dem Titel „Dem Unrecht widerstehen“ ein Buch über den waldeckischen Pfarrer Wilhelm Menge geschrieben hat. Der 85-jährige Theologe schilderte zunächst die Informations- und Propagandapolitik sowie die totale Gleichschaltung aller Organisationen im NS-Staat. „Die Kirchen waren allerdings der einzige Bereich, in dem sich diese Gleichschaltung von den Nazis nicht durchsetzen ließ“, stellte er fest.


Dieses Foto zeigt Pfarrer Wilhelm Menge mit seiner Frau Elisabeth geb. Sartorius und den Söhnen Wilhelm, Ludwig und Hans-Joachim im noch ruhigen Jahr 1930 vor dem Pfarrhaus von Nieder-Ense.

Am Beispiel des Wilhelm Menge, der 1892 als Sohn eines Frankenberger Bahnbeamten geboren wurde und mit großem Pflichtbewusstsein im Ersten Weltkrieg noch Waffendienst leistete, zeigte Hederich, wie für einen Kirchenbeamten trotz aller Überwachung noch mutiger Widerstand möglich war – teilweise allerdings bis an den Rand der eigenen Existenz. Menge verhinderte, dass die NSDAP-Mitglieder in Nieder-Ense allein den Kirchenvorstand besetzten, er kritisierte die Irrlehre der staatsnahen „Deutschen Christen“ und widersetzte sich mit allen Mitteln den gegen ihn eingesetzten Verfahren. „Über 200 Pfarrer waren in dieser Zeit wegen Verstoßes gegen das so genannte Heimtückegesetz angeklagt“, stellte Hederich bei seinen Nachforschungen fest.


Mit dem Hakenkreuz warben die „Deutschen Christen“ für eine erste öffentliche Kundgebung in Korbach.

Zu Beginn der Veranstaltung im Frankenberger Kreis-Heimatmuseum hatte Geschichtsvereinsvorsitzender Karl-Hermann Völker über die Situation der Bekennenden Kirche im Kreis Frankenberg berichtet. Dort traten die evangelischen Geistlichen fast geschlossen dem Pfarrer-Bruderbund und der Bekennenden Kirche bei. Völker nannte ihre Namen und zitierte aus einer vom 14. Dezember 1934 erhalten gebliebenen Ansprache des im Widerstand aktiven Pfarrers Heinrich Balzer, der ab 1933 in Rengershausen und später in Frankenberg sein Seelsorgeamt versah.


Pfarrer Heinrich Balzer, hier mit seinen Konfirmanden in Rengershausen 1939, nahm im Frankenberger Raum eine aktive Rolle in der Bekennenden Kirche ein. Auch Hausdurchsuchungen der Gestapo konnten ihn nicht schrecken.