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Fünfter Ausflug: 25. September 1892. Dieser Ausflug, welcher den durch den Reichsstrecken-Commissar Herrn Kofler von Darmstadt am alten römischen Pfahlgraben bei Langenhain neu ausgegrabenen römischen Castellen galt, gestaltete sich zu einem sehr belehrenden und genussreichen. Schon der Weg durch Ostheim, Fauerbach und Langenhain bot viel interessantes, da namentlich uns Marburgern die bei uns nicht mehr vorkommenden Thoreinfahrten auffielen, welche, obgleich zum Theil kaum 50 Jahre alt, doch noch in Construction und Decoration (Kerbschnitt) und Bemalung einer Jahrhunderte alten Tradition treu folgen. Ebenso finden sich bei uns nicht die gleichfalls nach uralten Mustern gearbeiteten und auch mit reichen Mustern decorirten hölzernen Schlösser an Garten- und Gebäudethüren. Eigenthümlich ist die Form der achteckigen gothischen Kirchthürme jener Gegend. Das Fauerbacher Rathhaus, ein reicher alter Holzbau, ist von unseren Holzhäusern sehr verschieden. Hier in Fauerbach ist auch die Kirche beachtungswerth, da an ihrer östlichen Ecke ein Legionsstein eingemauert ist. Sie ist jedenfalls ganz aus den Ueberresten des Langenhainer Castells gebaut. Für uns waren auch die hier an der Kirche eingemauerten Grabsteine der Familie von Diede wichtig, deren einer Zweig hier ansässig war. In Langenhain empfing die Anwesenden der Herr Reichs-Strecken-Commissar Kofler aus Darmstadt. Zunächst wurden die in seinem Feldquartiere aufbewahrten kleineren römischen Funde besichtigt, namentlich die prachtvoll erhaltenen Röhren der alten Wasserleitung fesselten die Aufmerksamkeit der Beschauer. Ihr Material ist vorzüglich, und ihre Form, welche es gestattet sie ohne Verkittung in einander zu stecken, ist eine so praktische, dass sie unsere Thonrohrsysteme entschieden übertreffen. Theile dieser Leitung liegen nunmehr gegen anderthalb tausend Jahre und wären, in Betrieb gesetzt, noch durchaus leistungsfähig; welche moderne Wasserleitung würde wohl eine solche Probe bestehen können? — Nunmehr ging es an die Hauptaufgabe, die Besichtigung des neuen Castells. Die alten Germanen und auch ihr jüngerer Nachwuchs haben hier so gründlich devastirt, dass nicht ein einziger Ueberrest mehr über der Ober- [Oberfläche]

 

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