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düngen [Schulgründungen] in den einzelnen Provinzen, die sich in einer ersten Welle von 1823-1833 und in einer zweiten von 1834-1845 vollziehen.40) Als der Lehrerbedarf auch anderer Provinzen das Innenministerium mit dem Gedanken spielen läßt, das ursprünglich für Niederhessen gedachte Seminar zu einer "Landesanstalt" für den ganzen Kurstaat zu erweitern, errechnet Büdinger im Auftrage des Vorsteheramtes, das dieses Projekt begrüßt, den Bedarf an Lehrern für Kurhessen und entwirft einen detaillierten Plan für ein Zentralseminar. Er kommt nicht zum Zuge, weil sowohl die anderen Provinzialvorsteherämter als auch die Regierung nicht bereit sind, dafür Geld zur Verfügung zu stellen. Gerade darauf hatten die Kasseler aber gehofft mit der Begründung, daß, wenn sie schon für andere Provinzen Lehrer ausbilden, diese dafür auch bezahlen sollen. Dennoch werden fremde Bewerber wei terhin "illegal" in das Kasseler Seminar aufgenommen.41)

Das Seminar ist nicht unangefochten; manchen Provinzialrabbinern, wie denen von Fulda und Hanau, aber auch dem bekannten Kasseler Journalisten Samuel Hahndorf42) ist es zu liberal. Die Gemeinden Nieder- und Oberhessens haben keine Bedenken, ihre Lehrer dort bilden zu lassen.

Büdingers Ansehen in der Kasseler Gemeinde ist so groß, daß sie ihm, als man sich nicht auf einen neuen Rabbiner einigen kann, schon 1829 die Rabbinatsgeschäfte überträgt, die er bis 1836 wahrnimmt. Während dieser Zeit führt er die nicht unumstrittene Konfirmation für Knaben und Mädchen ein, hält in der Schule Gottesdienste ab und bereichert sie mit Chorälen, die er in einem Choralbuch herausgibt und von seinen Schülern vierstimmig singen läßt.

In seine Amtszeit fällt das Jahrhundertereignis der Kasseler Gemeinde: Der Neubau der Synagoge. Da die Planung nicht nur architektonische und ästhetische Fragen aufwirft, sondern vorrangig das Problem lösen muß, wie der Bau den Bedürfnissen eines israelitischen "Bethauses" gerecht wird, ist Büdingers Rat als amtierender Rabbiner vonnöten. Pinhas, der bei den komplizierten Verhandlungen die Feder führt, formuliert ganz klare Bedingungen,43) hinter denen sicher auch Büdinger steht. So ist es denn vermutlich kein Zufall, wenn er, um den verwirrenden Chor der Stimmen nicht noch zu vermehren, trotz des Drängens der Regierung die ordentliche Besetzung des Rabbinats zu verzögern versucht, weil er in Büdinger einen kompetenten Ratgeber hat; denn die Ansprüche, die Pinhas an einen Rabbiner stellt, erfüllt Büdinger in vollem Maße: er soll nicht der alten polnisch-deutschen Schule, sondern dem Kreise derer angehören, "welche rabbinische Gelehrsamkeit mit der Blüthe europäischer Wissenschaftlichkeit und Kultur ver einen."44)

Weil Büdinger sich in seinem geistlichen Amt besonders stark engagiert hat, schmerzt es ihn sehr, als ihn 1836 nun doch ein junger und eifriger Rabbiner, Dr. Ronann, auf nicht gerade taktvolle Weise ablöst.

Konfliktstoffe bieten die Konfirmation, der Schulgottesdienst und vor allem die Einrichtung der Synagoge.

Büdinger "hatte ganz andere Wünsche für das herrliche Gebäude," vermerkt seine Frau, "sein Rath wurde aber nicht (mehr) verlangt, sowenig hierzu als zur ferneren Einrichtung der Schule."45) Diesen Schock verwindet Moses Büdinger nicht. Zwar widmet er sich dem Seminar "mit Aufopferung seiner besten Kräfte," aber an ihnen haben schon Überarbeitung und eine mehrjährige Angina pectoris genagt. Am 28. Januar 1841 spielt er im Lesemuseum 5 Partien Schach, trifft dort kurz Pinhas, findet noch den Weg nach Hause und bricht im Vorgarten zusammen; dort findet ihn sein Hauswirt; drei Tage später stirbt er; Jakob Pinhas hält ihm die Grabrede.46)

Der Vater der ersten israelitischen Lehrer in Hessen ist tot. Das Seminar aber, das er aufgebaut hat, versorgt noch 80 Jahre ein aufblühendes israelitisches Schulwesen in Kurhessen und dem Regierungsbezirk Kassel.

 

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