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ÄUFSÄTZE

Friedrich Holzgrabe

DAS ISRAELITISCHE LEHRERSEMINAR IN KASSEL 1823 - 1920

 

I. Die Gründungsphase1)

"Durch Ministerialbeschluß vom 14. Oktober ist die in Antrag gebrachte Einrichtung einer eigenen israelitischen öffentlichen Schulanstalt für die Synagogengemeinde Cassel, welche zugleich Musterschule für andere israelitische Schulen der Provinz und eine Übungsschule für künftige Lehrer werden soll, nach folgenden Grundbestimmungen genehmigt worden: Die Schulanstalt theilt sich in zwei Klassen, in eine untere oder Elementarklasse, welche die Kinder von sechsten bis zum achten Jahre (oder derjenigen Zeit, wo sie weiter geführt zu werden reif sind), und eine obere enthält, letztere mit zwei Abtheilungen, deren eine den Schulunterricht vom achten Jahre an fortführt und vollendet, und die andere angehende Lehrer zur Ertheilung eines zweckmäßigen Unterrichts, und hauptsächlich des Religionsunterrichts, anweist und praktisch anführt. Bei dieser Schulanstalt nun werden vorerst Moses Büdinger aus Mardorf und Aron Rosenbach von hier zu Ersten Lehrern bestellt; dann aber ist von Ihnen und dem Kreisrathe Koch hierselbst ... mit Zuziehung der gedachten beiden Lehrer, auch nach Anhörung der hiesigen Gemeindeältesten ein vollständiger Plan für diese Schulanstalt, mit genauer Berücksichtigung der schulfähigen Kinder der Synagogengemeinde, Beobachtung der vorgezeichneten Klasseneinteilung, Eintheilung der Unterrichtsgegenstände und Angabe der Lehrbücher etc. zu entwerfen; dabei die etwa weiter erforderlichen Lehrer vorzuschlagen und ein Etat sowohl über die Kosten der ersten Einrichtung als der ... Verwaltung einzureichen. Wegen Beschaffung des hiernach erforderlichen Lokals ist zugleich Vorsorge zu treffen, und erwarten Wir hiernächst auch Ihren weitern Vorschlag über Bestellung einer Commission, welche die Prüfung der jetzt vorhandenen und eine Anstellung als Lehrer suchenden Schulmeister vornehme."2) Diese "Stiftungsurkunde für die israelitische öffentliche Schule und das damit verbundene Lehrerseminar zu Cassel"3) fertigt die Regierung der Provinz Niederhessen dem israelitischen Vorsteheramt in Kassel am 21. Oktober 1824 zu.

Wie war es dazu gekommen? Am 30. Dezember 1823 hatte Kurfürst Wilhelm II. eine Verordnung "die gemeinheitlichen Verhältnisse der Israeliten betreffend" erlassen, die u.a. auch "das Religionswesen (und) den Schulunterricht"4) verbessern sollte. Sie hatte die bisherige Verpflichtung der Israeliten, ihre Kinder in christliche Schulen zu schicken, gelockert und ihnen das Recht auf eigene israelitische Schulen zugestanden. Zwar hatte die für den ganzen Kurstaat geltende Verordnung bestimmt, daß die Lehrer der israelitischen Schulen durch eine staatliche Kommission zu prüfen seien, aber über die Art und Form ihrer Ausbildung nichts ausgesagt. Beide in die vorangegangenen Beratungen eingebrachten Vorschläge - Ausbildung in eigenen israelitischen (Kassel) oder in staatlichen christlichen Seminaren (Marburg) - waren schon im Verordnungsentwurf gestrichen worden.


Als nun durch die Verordnung die Gründung israelitischer Schulen freigegeben worden war, hatten die Vorsteherämter in Marburg - gleichzeitig federführend für Hanau und Fulda - und Kassel die Lehrerbildungsfrage erneut aufgegriffen. Die Marburger Lösung,

 

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