sie so beachtet worden sein wie jene in der Marburger Pfarrkirche. Ihre Gemeinde, zu der nach der Reformation die Universität gehörte, hatte eine neue Rolle für ihren Altarschrein gefunden. Bei Doktorpromotionen oder großen Hochzeiten waren seine Flügel geöffnet und die vergoldeten Mittelteile sichtbar19. Der lebendige Bezug zu einem Bildwerk trug vielleicht dazu bei, dass sich die Marburger im August 1605 gegen die Verbesserungspunkte stellten und von Moritz mit einem Bildersturm bestraft wurden.20

Der Widerstand gegen die Verbesserungspunkte
Auch die Marpurgischen Kirchen Händel, bei denen reformierte Theologen verprügelt und aus der Pfarrkirche geworfen wurden, entzündeten sich jedoch vorrangig an der theologischen Deutung des Abendmahls und ihren liturgischen Folgen.21 Viele Bürger fürchteten, daß man im Gebrauch des Abendtmals geröste Weck aufflegen / sich wie im gemeinen Gelach zu Tisch setzen / einander zutrincken / mit Essen vnd Trincken wol füllen solte. Erst in dieser Stimmung griff das Gerücht von einem geplanten Bildersturm, das den Aufruhr auslöste.22
Die führenden Lutheraner der Stadt waren an ihm nicht beteiligt und bereits ihrer Ämter enthoben, weil sie die Annahme der Verbesserungspunkte verweigert hatten. Ihnen war es in den voraus gegangenen Gesprächen, die Moritz zum Teil selbst geführt hatte, kaum um die Bilderfrage gegangen, sondern um ihre Christologie und ihr Abendmahlsverständnis.23 Darauf bezogen sich auch viele der über 70 Pfarrer vor allem im Umfeld von Marburg und Eschwege, die sich der Zweiten Reformation verweigerten und von Moritz entlassen wurden.24
Einige Gemeinden blieben dem Abendmahl nach Vorgabe der Verbesserungspunkte jahrelang fern oder verlangten offen die Rückkehr zum alten Ritus.25 Darauf wird das eher distanzierte Verhältnis gründen, das einige kurhessische Gemeinden bis heute diesem Sakrament gegenüber zeigen. Letztlich blieb dies die dauerhafteste Folge der Zweiten Reformation. Die Spuren des Bildersturms wurden in manchen Kirchen schon ein Jahrhundert später durch barocke Umbauten verwischt, spätestens aber durch die Freilegungen des 20. Jahrhunderts beseitigt.
Peter Unglaube

Vgl. zur Landesausstellung: Landgraf Philipp der Großmütige 1504-1567. Hessen im Zentrum der Reform. Begleitband zu einer Ausstellung des Landes Hessen. Marburg/Neustadt a. d. Aisch. 2004.
2 Vgl. zum Begriff der Zweiten Reformation allgemein und zur Einordnung der hessischen Ereignisse: Gerhard Menk: Die „Zweite Reformation“ in Hessen-Kassel. Landgraf Moritz und die Einführung der Verbesserungspunkte. In: Heinz Schilling (Hg.): Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland. Das Problem der „Zweiten Reformation“. (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 195.) Gütersloh 1986. S. 154-183. Hier v. a. S. 154 ff.; vgl. zur Ausstellung des Landeskirchlichen Archivs Kassel den Beitrag von Kerstin Langschied in diesem Heft.
3 Wilhelm A. Eckhardt und Helmut Klingelhöfer (Bearbb.): Bauernleben im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. Die Stausebacher Chronik des Caspar Preis 1636-1667. Mit einer Einführung von Gerhard Menk. (Beiträge zur hessischen Geschichte 13.) Marburg 1998. S. 100.
4 Vgl. zur Gleichzeitigkeit des Unvernünftigen der Verbesserungspunkte und der Hessischen Chronica: Gerhard Menk: Die Konfessionspolitik des Landgrafen Moritz. In: Landgraf Moritz der Gelehrte. Ein Kalvinist zwischen Politik und Wissenschaft. (Beiträge zur hess. Geschichte 15.) Marburg 2000. S. 95–138. Hier S. 131–135.
5 Wilhelm Dilich: Hessische Chronica 1605. Originalgetreuer Faksimiledruck, hrsg. von Wilhelm Niemeyer. Kassel 1961. S. 353.
6 Christoph von Rommel: Geschichte von Hessen. 4. Band 2. Teil. Kassel 1837. S. 72-83: Testament Ludwigs IV. von Hessen-Marburg vom 25. April 1595. Hier S. 76.