Am 13. Juni 1810 starb der eigensinnige Schriftsteller und Spätaufklärer Johann Gottfried Seume (1763–1810). Anlässlich seines 200. Todestages rückt auch sein enger Freund, der hessische Offizier Karl Freiherr von Münchhausen (1759-1836), in das Blickfeld der Seume-Forschung, die seit nunmehr 15 Jahren eine Belebung erfährt, zu Münchhausen indes vielfach noch Unbekanntes zu ermitteln hat.
Eine neue Publikation ergänzt das Bild des 1759 in Hessisch Oldendorf geborenen Barons, der 1781 in hessische Militärdienste eintrat und sich mit den Subsidientruppen nahe Halifax aufhielt, wo er mit dem einfachen Rekruten Seume aus Leipzig innig Freundschaft schloss. Nach der Rückkehr wussten beide zehn Jahre nichts über das Schicksal des Anderen, fanden erst 1792 wieder den Kontakt und unterhielten ab dann Briefkontakt. Nur ein einziges Mal sahen sie sich wieder: 1802 in Schmalkalden, als Seume auf der Rückreise seines legendären Spaziergangs nach Syrakus den dort lebenden Münchhausen besuchte.
Die weitgehend unbeachtete Dichterfreundschaft ist in vielfacher Hinsicht singulär, gerade im literarischen Umfeld ihrer Lebenszeit. Keine deutsche literarische Freundschaft zuvor wurde so fern des deutschen Sprachraums geschlossen und nur wenige befanden sich in einem derartigen Kontrast zwischen emotionaler Vertrautheit und dem tatsächlich fast nicht vorhandenen persönlichen Beisammensein. Die Freundschaft war von psychologischen Störzonen durchzogen. Nicht nur der Standesunterschied der beiden stellte ein Konfliktpotential dar, der die Bindung zu Enttäuschung und Distanzierung führen sollte.
Münchhausen ist nicht nur in seiner Funktion als Militär und gut vernetzter Akteur Hessens zu entdecken, sondern auch in seiner Rolle als Propagandist einer patriotischen „Bardendichtung“ sowie als früher Vertreter einer eigenständigen Beschäftigung mit nordischen Kulturphänomenen. Sein Nachlass befindet sich zum Großteil im Staatsarchiv Bückeburg. Eine ausführliche Monografie stellt weiterhin ein Desiderat dar (hinsichtlich der Literaturwelt um 1800 ebenso wie unter landesgeschichtlichem Interesse).
Mit einer im April 2010 erschienenen Publikation über diese Dichterfreundschaft soll Münchhausen auch außerhalb wissenschaftlicher Fachkreise als interessante Persönlichkeit seiner Zeit vorgestellt werden. Erstmals wurden Porträts von Seumes besten Freund recherchiert und liegen Werke von ihm wieder gedruckt vor.
Robert Eberhardt
Robert Eberhardt: Seume und Münchhausen. Mit dem kommentierten Neudruck der „Rückerinnerungen“ von 1797. Wolff Verlag, Schmalkalden, 2010. ISBN:978-3-941461-03-1, 19,90 Euro
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