Gut zu Wissen 67
Mitglied zahlreicher weiterer Kommissionen
und Vereine sowie Dozent an der Philipps-
Universität Marburg und der Archivschule
Marburg.
Annegret Wenz-Haubfleisch
Werner Dettmar gestorben
Im Alter von 88 Jahren ist Werner Dettmar
am 19. März 2016 zu Kassel gestorben. Die
Zerstörung Kassels in der Bombennacht vom
22. Oktober 1943 hat ihn ein Leben lang beschäftigt.
Seine Bücher über den Luftkrieg
und die Auswirkungen auf seine Heimatstadt
sind Meilensteine der Verarbeitung der Schrecken
des Krieges.
20 Jahre lang hat Dettmar in
englischen und amerikanischen
Archiven geforscht, mit Zeitzeugen
gesprochen und so die Geschichte
des Luftkriegs aufgearbeitet.
Das half ihm, einen
Albtraum loszuwerden, der ihn
lange verfolgte: Fliegeralarm, die
Flucht in den Keller, immer tiefer.
Und plötzlich die erschreckende
Gewissheit, dass man den herabfallenden
Bomben doch schutzlos ausgeliefert ist, Nacht
für Nacht. Als Jugendlicher hat er das erlebt.
Wenn wir heute wissen, von wo die britischen
Bomber 1943 gestartet sind, welchen
Auftrag sie hatten, dass sie in kurzer Zeit
400.000 Stabbrandbomben, 1000 Luftminen
und Sprengbomben sowie 19.300 Flüssigkeitsbrandbomben
abwarfen, dann ist das
der akribischen Arbeit von Werner Dettmar
zu verdanken. Damit hat er seine Erlebnisse
im Krieg und auch danach verarbeitet. Dazu
gehört der frühe Tod seines Vaters Wilhelm
Dettmar, der 1946 starb. Dieser war Leiter
des Kasseler Luftschutzwarnkommandos und
stand unter Dauerstress. Bei zu frühem Alarm
drohte ihm wegen Ausfällen in der Rüstungsproduktion
das Kriegsgericht. Eine zu späte
Warnung kostete womöglich Menschenleben.
Er starb mit 49 Jahren an einem Herzinfarkt.
Als 16-jähriger Luftwaffenhelfer hat Werner
Dettmar die Bombennacht überlebt. Ein
Jahr danach wurde er von einem Granatsplitter
schwer am Kopf verletzt. Die letzten Monate
des Krieges verbrachte er im Lazarett. Im
zerstörten Kassel machte er Abitur und begann
eine Ausbildung in der Verwaltung. Zuletzt
arbeitete er im Kulturamt.
Bei den Recherchen zu seinen Büchern kam
er auch mit einem ehemaligen britischen
Bomberpiloten ins Gespräch. Der berichtete
ihm, wie viel Angst er vor dem Flakbeschuss
von unten hatte, vor halbwüchsigen Jungs,
die wie Werner Dettmar als Flakhelfer eingezogen
wurden. „Wir haben nachts auf die
Engländer geschossen und am nächsten Morgen
in der Schule Shakespeare gelesen – was
für ein Irrsinn“, beschrieb Werner Dettmar die
Situation viele Jahre später.
Für seine hoch gelobten Publikationen wurde
Werner Dettmar mit der Stadtmedaille der
Stadt Kassel ausgezeichnet. Ihm ist es zu verdanken,
dass das Modell der zerstörten Stadt
Kassel ausgestellt wurde. Im neu gestalteten
Stadtmuseum kann man es jetzt wieder sehen.
Thomas Siemon
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