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C. Vermischtes.

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1. Mariendorf, eine hessische Waldensercolonie.

Von Carl Friesland in Göttingen.

Die zu Ende des 17. und zu Anfang des 18. Jahrh. in Deutschland zahlreich gegründeten Waldenser- und Hugenottencolonien haben auch in sprachlicher Beziehung eine sehr verschiedene Entwicklung gehabt. In einem grossen Theil von ihnen hat das Deutsche jedes fremde Idiom ganz verdrängt, andere Ansiedlungen gebrauchen neben dem Deutschen noch das heimathliche Patois und eine dritte Kategorie bedient sich ausser unserer Sprache noch des Gemeinfranzösischen. Als Typus der ersten Gruppe diene das am linken Weserufer zwischen Carlshafen und Münden auf hessischem Gebiet liegende Dorf Gottstreu; über eine der an zweiter Stelle genannten Colonien unterrichtet uns Roesiger in seiner Dissertation „Neu-Hengstett, Geschichte und Sprache einer Waldensercolonie in Würtemberg (Greifswald 1882)“, und zur dritten Gruppe gehört endlich Mariendorf, neben Luisendorf (Kreis Frankenberg) die einzige Ansiedlung dieser Kategorie in Kurhessen. Mit ausserordentlicher Zähigkeit haben diese Romanen ihre Sprache inmitten einer reingermanischen Umgebung zu bewahren verstanden. Lange freilich wird dieser Zustand nicht mehr dauern. Dass man vor etwa 70 Jahren in den Colonien begann, deutsch zu lehren und deutsch zu predigen, hat dem fremden Idiom den Todesstoss versetzt. Die mündliche Tradition besteht zwar noch fort, aber dem Einfluss der Schule, den zersetzenden Wirkungen des modernen Verkehrs ist sie nicht gewachsen. In einer oder spätestens zwei Generationen werden die Nachkommen der um ihres Glaubens willen Verfolgten sämmtlich die Sprache ihrer neuen Heimath angenommen haben. Es ist daher zu unserer Zeit, wo sich diese Uniformirung noch nicht vollzogen hat, wohl angebracht,

 

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