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zu können. Ganz ähnliches berichtet Roesiger: „In Neu-Hengstett sprechen heute ungefähr noch einige 60 Personen die alte Mundart so, dass sie dieselbe geläufig reden und ohne Schwierigkeit verstehen. Männer im Alter von unter 25 Jahren sind selten mehr imstande, den alten Dialect, der von den Leuten selbst das ,,Wälsch“ genannt wird, zu sprechen; es ist schon nicht häufig, dass sie etwas verstehen, was in der alten Mundart gesagt oder verhandelt wird“. Bei den französisch redenden Bewohnern Mariendorfs sind nun der Vocabelnschatz sowohl wie auch die Art der Sprachbehandlung ganz verschieden. Wer in seinem Leben wenig aus dem Orte herausgekommen ist, dessen Anschauungskreis ist natürlich auch begrenzt, und demgemäss die Zahl der Begriffe, die er in sprachliche Form umzusetzen hat, gering. So verstand ein älterer Haussohn, der mit seinen Eltern kaum ein Wort Deutsch redet, den Sinn folgenden Bibelspruches nicht, der über dem Scheunenthor des väterlichen Hauses angebracht ist: Honore l’Eternel de ton bien et des prémices de tout ton revenu et tes greniers seront remplis d’abondance (Sprüche Sal. III, 9—10). In dem ihm zur Verfügung stehenden Wortschatz fehlten eben Ausdrücke dichterischen Stils wie prémices und abstracte Worte wie abondance. Eine Reihe von französisch redenden Einwohnern Mariendorfs hat sich nun aber in der Welt umgesehen und ist daher in der Lage, sich auch über Dinge auszulassen, die über den dörflichen Anschauungskreis hinausgehen. Als Dolmetscher, Haushofmeister und Kammerdiener haben sie vielerorts Gelegenheit gehabt, ihre Muttersprache zu verwenden und sich weiter darin ausbilden. Auch im deutsch-französischen Kriege sind Mariendorfer vielfach zu Dolmetscherdiensten herangezogen worden. Diese Colonisten haben naturgemäss eine gute Aussprache und sind auch im syntaktischen Gebrauch des Französischen sicher, Eigenschaften, die man der Mehrzahl der Bewohner nicht nachsagen kann. Es ist ja klar, dass eine Sprache der Vernachlässigung und der Willkür des einzelnen anheimfallen muss, sobald die Möglichkeit fehlt, sie schulmässig zu erlernen. So verkümmert in Mariendorf z. B. der Nasal, dessen Aussprache den jetzigen Colonisten genau so schwer fällt wie unserer Schul- [Schuljugend]

Mittheilungen.                                                                 5

 

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