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Gegenwart“ sind offenbar nicht wörtlich zu nehmen; die Angaben des zweiten Briefs sind für uns zu knapp. Ueber die Herkunft des Berichts, der aus dem Zusammenhange gerissen ist (,,dieses“ zu Anfang) und in vorliegender Form frühstens 1738 etwa aufgesetzt ist, da Karl von Boyneburg am 29. August 1738 starb, liess sich aus den sonstigen Akten des Staatsarchivs leider nichts feststellen. Er bringt manches Richtige, das sich sonst aus Akten noch belegen lässt, z. B. über den Antheil Gräffendorfs, aber auch direkt Falsches, wie die Angabe über die Zahlung der Ranzionsgelder. Herzlich naiv ist die Schlussbemerkung über die Abfindung der beiden Dragoner; es soll auch heute noch vorkommen, dass die Grossen die Arbeit der Kleinen bezahlt bekommen. Wenig wahrscheinlich klingt die Erzählung von dem Bestechungsversuch; Tallard musste sich doch sagen, dass wenig Aussicht auf Erfolg sei, nachdem schon mindestens 3 Leute um den Gefangenen wussten. Münscher hat augenscheinlich noch eine andere Quelle gehabt, wenn die Einzelheiten, die er zuerst bringt, nicht seiner Phantasie entstammen ; doch ist diese Quelle dem Bericht sehr verwandt *). Aus Gerechtigkeitsgefühl liess dann Münscher den Antheil der beiden Offiziere unerwähnt. Das Ergebnis ist, dass die Gefangennahme des Marschalls sich so abgespielt haben wird, wie der Bericht und Münscher angeben.

Auf die Bezahlung der Belohnung musste Boyneburg über ein Menschenalter warten, wie aus einem Aktenstück des Kasseler Geheimen Raths hervorgeht. Am 30. Juli/10. August 1736 schrieb König Friedrich seinem Bruder Wilhelm aus Stockholm, er habe sich, da die Belohnung für die Gefangennahme Tallards bei der Krone England immer noch zurückstehe, entschlossen, dem Generallieutenant 11,000 Thaler aus irgend einer hessischen Staatskasse zahlen zu lassen. Weitere Theile des Aktenstücks enthalten Verhandlungen, aus welcher Kasse die grosse Summe zu nehmen und unter welchen Einzelheiten sie zu entrichten sei. Sie wurde schliesslich aus der Rentkammer in 4 jährlichen Raten gezahlt. Ueber den Anspruch, den Gräffendorf an die Summe hatte, stritten sich die Wittwen der beiden Offiziere noch 1739. Am 8. Dezember dieses Jahres bittet Frau von Boyneburg um beglaubigte Abschrift der königlichen Verfügung an ihren Gatten, da die Generalin von Gräffendorf sie wegen der 1000 Thaler, die ihr Gatte jener versprochen und sie nunmehr aus den vom Landgrafen verehrten Geldern zu bezahlen hätte, bei Gericht verklagt hätte. Ueber den Ausgang der Angelegenheit liess sich nichts weiter ermitteln.

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*) Münschers Bericht stützt sich vermuthlich auf die rhetorisch ausgeschmückte Darstellung Ditfurths in den „Erzählungen aus der hessischen Kriegsgeschichte“ I. S. 29—33. Ditfurth gibt keine Quelle an. [Anm. d. Red.]

 

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