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C. Kleinere Aufsätze.

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I.

Niedersächsisches Volkstum in Niederhessen.

Von Pfarrer Dithmar - Schmalkalden.

Der alles gleich machende Zug unsrer Zeit, begünstigt durch die Leichtigkeit des Verkehrs und das Danaergeschenk der Freizügigkeit, verwischt auch immer schneller und gründlicher die Sonderheiten der germanischen Volksstämme. Selten nur erhalten sich die alten Trachten, die eigentümlichen Lebensgewohnheiten, besonderen Bauarten und sonstigen Unterschiede. Namentlich in Hessen schwinden die Stammeseigentümlichkeiten unaufhaltsam dahin. Diese Beobachtung machen wir auch in dem Grenzgebiet zwischen Hessen und Niedersachsen, dem einstigen „Sächsischen Hessengau.“ Bald wird in Nordhessen der Niedersachse äusserlich nicht mehr zu erkennen sein, und nur die Freunde der geschichtlichen Vergangenheit werden aus alten Akten und aus unscheinbaren Resten heraus das ausgestorbene Volkstum noch von Zeit zu Zeit wieder herausgraben. Die Leute selbst haben keine selbständige Erinnerung und kein lebendiges Bewusstsein ihrer Stammesbesonderheit mehr. Nur eins wird noch auf längere Zeit hinaus daran erinnern, dass Nordhessen einstmals von Niedersachsen bevölkert gewesen ist: die Sprache, dieses zäheste und treuste Denkmal der Stammeszugehörigkeit. Aber dank der allgemeinen Volksschule und der allgemeinen Wehrpflicht verkümmert auch der Dialekt immer mehr, die Kinder und die Soldaten müssen hochdeutsch sprechen, und so wird die Sprachinsel immer kleiner und nur an der hannoverschen und westphälischen Grenze wird sich das niederdeutsche Platt vorläufig noch erhalten, bis es mit der Zeit auch von da verschwinden wird.

Wenn ich heute ein Bild dieses niedersächsischen Volkstums in Hessen geben soll, beschränke ich mich auf Niederhessen und lasse die ehemalige Grafschaft Schaumburg ganz ausser Betracht. In Niederhessen ist

 

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