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II. Sitzung am 22. November 1901.

In dieser ersten Wintersitzung gedachte der Vorsitzende in längeren Gedächtnissreden der verstorbenen Vereinsmitglieder, des Geheimen Regierungsrats Gymnasialdirektors a.D. Dr. Buchenau und des Gründers und Konservators der Marburger Vereinssammlung des Dr. L. Bickell. Es war eine Reihe von Bildnissen Bickells sowie seine sämmtlichen kunstwissenschaftlichen gedruckten Werke ausgelegt. Die Anwesenden erhoben sich am Schlüsse der Gedächtnissreden zu Ehren der beiden Gefeierten ; auch wurde beschlossen, ein grosses Bild Bickells anfertigen zu lassen und an einem geeigneten Orte der Sammlung aufzuhängen. — Zu Bickells Nachfolger als Konservator der hiesigen Vereinssammlung wurde einstimmig Herr Professor Dr. von Drach gewählt. — Es folgte der Vortrag des Herrn Ober-Realschuldirektors Dr. Knabe: Ueber Erziehung und Unterricht im Königreich Westfalen.

Der Vortragende knüpfte seine Ausführungen an ein neueres Werk von Kaisenbergs an: „König Jerome und seine Garde du corps“, das er als Dichtung und Wahrheit, oder vielmehr nur als Dichtung charakterisierte, da es, das angeblich auf gleichzeitigen Briefen beruht, nur den altbekannten Klatsch bringt und eine grosse Zahl von chronologischen Fehlern enthält. Weiss doch ein befreundeter Briefschreiber nicht einmal den richtigen Todestag des Generaldirektors des öffentlichen Unterrichts im Königreich Westfalen, Joh. von Müller. Auf dessen Leben und Wirken in dieser wichtigen Stellung wurde kurz eingegangen. Als in gewisser Hinsicht negative Einwirkungen der westfälischen Regierung wurden dann die Auflösungen von Unterrichtsanstalten, namentlich der beiden Universitäten zu Helmstedt und Rinteln erörtert und Zusammenfassungen anderer z. B. dreier Lateinschulen in Halle zu einer erwähnt. Die Ersparnisse kamen den andern Instituten zu gute: Göttingen z. B. erhielt eine Sternwarte und einen botanischen Garten, Marburg 1811 das philosophische Seminar. Fernere positive Einwirkungen bestanden in der Absicht, in jeder Departementsstadt eine hohe oder gelehrte und eine Mittel- oder Bürgerschule (d. h. Realschule) zu begründen, ferner das Volksschulwesen durch Einführung der Pestalozzi’schen Methode zu heben. Zunächst wurde seit dem Mai 1808 durch umfassende Statistiken Material gesammelt. Die Ergebnisse derselben in Cassel wurden mitgetheilt, wobei der Redner auf das Ueberwiegen der Privatschulen und die Gründe dafür hinwies. Der Idee des Staatsbürgertums entsprechend griff nun aber der Staat in das Schulwesen ein. Sogar öffentliche Schulen für Mädchen wurden schon geplant, zur Ausführung gelangte jedoch nur ein Institut für Töchter von Rittern der westfälischen Krone. Die Realschulen als allgemein

 

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