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wollte mich zu ihrem Anführer haben, ich erklärte, daß mich keine Gewalt lebendig vor meine Thüre bringen werde, der Bürger gehöre ins Hauß, der Soldat ins Feld. Alles dieses war das Werk von einer Stunde. Hierauf nahm man mir die Schlüssel zum Rathhauß ab, ernannte zum Oberschultheis an meine Stelle den Accisschreiber Scheffer, welcher auf Befehl des Hochverräthers Martin Brandwein und Frucht requiriren mußte, nahm mir auch die zur Bewachung der Stadt angekauften alten 9 Gewehre ab, lies alle Mannschaft von 17 bis 40 Jahren bey Todesstrafe, Confiscation ihrer Güter, Einäscherung der Häuser (wie die Ew. Hochwohlgeboren vermuthlich längst bekannte Proclamation drohet) aufbieten, auf dem Markt zu erscheinen, schickte Patrouillen in die Dörfer, um die Menschen hierher zu treiben, und endlich verlangte man von mir, ich solle vor 1600 Mann Einquartierung Billets machen, welches ich aber abschlug. Dann verlaß der Hospitals-Provisor Rommel, nachdem alle anwesende Mannschaft zuvor verlesen war, vor der Kirche die Proclamation und dann wurde wieder mit allen Glocken gestürmt. Mein treuer, bisher äußerst kümmerlich besoldeter und deshalb mit ewigen Nahrungssorgen kämpfender Polizeydiener Schenck war der Einzige, welcher standhaft bey mir blieb und aus freyem Antrieb versprach, sein Leben mit dem meinigen zu theilen, meine Gattin, Kinder und Gesinde schwammen in Thränen, alle übrigen entfernte die Furcht, vor einen Franzosen erkannt zu werden, aus meinem Haus. Nun erschienen Ehrenfeld, den ein anderer bey mir abgelöst hatte, mit einer rotsametnen Fahne mit Silber bordirt und einem schwarzen Kayserlichen doppelten Adler gestickt — sie wurde in der Stadt umhergetragen. Es war kein Geheimnis, daß diese und die Armbänder im Baumbachschen und Rommelschen Hause verfertigt worden — bey allem dem hörte man nirgends ein Vivat. Die guten Bürger und Landleute waren mit Widerwillen gegen dies verderbliche Unternehmen erfült und nur die Furcht trieb sie, die meisten mit Stecken anstatt der Waffen versehen, hier zusammen. Eine dumpfe Stille herrschte, kein Betrunkener war sichtbar. Martin verlas allenthalben die Proclamation, aber nur Abscheu und Entsetzen erregte sie in den Gemüthern der Besser- und Helldenkenden. So verstrich die Zeit bis Nachmittags 5 Uhr. Den guten Rittmeister Müller, welcher sich, selbst bewaffnet, leidend verhalten mußte, sah ich nur einen Augenblick zu Pferd und nachher nicht wieder. An das edle Herz Ew. Hochwohlgeboren, den liebevollen Vater der großentheils guten oder unglücklich verirrten Kinder Ihres Departements erlaube ich meine Stimme als Mensch zu richten und unterthänig gehorsamst zu fragen, ob es mir unter den vorliegenden Umständen, ohne bewaffnete Hilfe, bey Gott dem Allmächtigen mir mich ganz ganz selbst überlassen, als ein Verbrechen gegen meinen König und Vaterland angerechnet werden kann, daß ich mich nicht tollkühn ohne alle Hoffnung, der Sache dadurch eine andere Wendung zu geben, in die Schwerder meiner Feinde gestürzt habe oder tod schießen lies, denn dies wäre ohne Barmherzigkeit bei der geringsten Widersetzlichkeit mein Los gewesen. Kein Mensch hatte mir überdies auch nur das Entfernteste bis zur Stunde des Aus- [Ausbruchs]

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