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5) Aufruf des Kurfürsten Wilhelm I. (Abschrift.) (St.-Arch. Marburg. 0. W. S. 1264.)

Aufruf

des Churfürsten Von Hessen.             Leibnitz d. 8ten April 1809.

Hessen! Des Würgengels Schwerd drang an die Seele. Jenaes blutige Schlacht, die Wilhelms Trohn erschütterte, die sich uns allzusehr im Jammer der deutschen Nation offenbaret, deren Blut geraubte Erde drank, bereitete qualvolle Leiden meinem Herzen. — Der Tyrann des geraubten Königs Throns an das Blut der Unschuld klebend, der durch die Endlosen Thränen der Mitwelt eingeweihet wurde, — dieser Tyrann, fremd mit Denkgefühl der Gerechtigkeit und Milde, die so schön im Auge des Regentens, schöner noch im Diadem des Eroberers glänzen, hieß Euch Verbrecher, und riß Mich von den Herzen meiner geliebten Unterthanen loß, die Jahrhunderte an mich geknüpfet hatte, weil mir Verträge heilig — Unterthanen Menschen und Brüder, Freundschaft unverletzlich war.

Die Trauer Stunde schlug; Ich mußte meine treuen Unterthanen verlassen, aber mein Herz blieb bei Euch zurück wie meine Liebe. — Ich sah die Thränen des Mitleidens, Nein, der Liebe und Verzweiflung, die meine lieben Kinder und Brüder weinten, da sie mich mit nassen Augen verfolgten, bis Ich denselben entschwand. Ich lobe Eure Treue. Ihr wolltet aus Eifer und Anhänglichkeit für Euer Regentenhaus schon damals gerechten Waffen ergreifen: Ihr hattet geschwohren, lieber unter den mit Bürgerblut gefärbten Ruinen eueres Vaterlandes begraben zu werden, als fremden Hohn und Despotenfesseln zu tragen.

Aber die Stunde der gerechten Rache hatte noch nicht geschlagen, und meine Liebe ließ einen Schwur zurück, der Euch dem grenzenlosen Elende und Schwerde, euer Haab und Gut den Flammen preiß gegeben hätte. — Umgeben von wenig Edlen verließ Ich die Gefilde, die meinem Herzen so theuer waren, und eine bittere Thräne zitterte in den Augen eines grauen Vaters, als auch die letzten Spuren meiner ehemaligen so glücklichen Mutter Erde schwanden.

Östreichs edler Souverain gab mir und meinen unglücklichen Kindern eine Zufluchts Stätte, Er linderte den Schmerz, den Tyrannen Wuth meinem Herzen versetzt hatte. — Vest steht sein Thron, er ruht auf Gerechtigkeit, er ist gegründet durch die dem grauen Alterthume durch deren Verträge und durch des Erbe Heiligkeit1). Er ist umgeben von Legionen, auf den2) nicht der Fluch3) Millionen Menschen ruht, die um Rache zu dem Ewigen mit blutenden Herzen rufen, Von Legionen, die ihr Gut und Blut in die Hände des Heldens gelegt haben, der zunächst des Thrones Heiligtum steht.

Der Tyrannen Macht wollte auch die Herzen trennen, aber sie flohen zu Mir; ewig unvergeßlich wird mir die Stunde sein, als

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1) Hier liegt wohl ein Versehen des Abschreibers vor. Vielleicht muß es statt ,.durch deren“ heißen ,,angehörigen“.

2) Wie vor. Statt „den“: „denen“.

3) Wie vor. Es fehlt „von“.

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