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französischen Fremdherrschaft Türmchen und Glocken erhalten. Dann stiegen die Besucher hinab zur Gruft. Einfach und schmucklos ist die kleine Gruftkapelle, in deren Mitte, von hohen Kerzen umstanden, der schlichte Sarg steht, während dahinter, gegen die Wand hin der kleine Schrein sich befindet, der des Fürsten Herz enthält. Nur wenige Personen können gleichzeitig die Grabstätte besuchen, — die, welche von der Ruhestätte kamen, wandten sich dem Innern der kleinen Kirche zu, die, auf der Grenzscheide zwischen Barock- und Klassizismus stehend, ein eigenartiges Bild bietet. Hier vermißte man die künstlerische Anleitung, denn unser uns wiedergegebene Kenner von Kassels Baukleinodien, Baurat Dr. Holtmeyer, war nicht anwesend. Die Gemälde von Tischbein wie auch die Reliquienbehälter fesselten die Aufmerksamkeit.

Dann wandten sich die Besucher dem Vortragssaale in der Landesbibliothek zu und hier ergriff nochmals General Eisentraut das Wort zu einem Überblick über das Leben des Landgrafen Friedrich II. Er leitete ihn damit ein, daß er das Rätsel seines Charakters andeutete, das bis heute noch keine Lösung gefunden, da erst ein auf gründlichste archivalische Studien gestütztes Bild diese zu geben vermöchte.

Friedrich war der zweite Sohn des nachmaligen Landgrafen Wilhelm VIII. und er erblickte am Geburtstage seines Großvaters am 3. August im Jahre 1720 das Licht der Welt. Mit seinen Erziehern bezog er frühe die Universität Genf, und wenn auch schon stellenweise das Unstäte seines Charakters sich damals zu erkennen gab, so zeigte er doch eine ganz hervorragende Begabung, die sich namentlich in seiner Liebe zur französischen Literatur äußerte.

Schon frühe war ihm eine Gattin ausersehen, denn als Georg II. von England-Hannover 1729 zu Kassel Truppen des Landgrafen Karl besichtigte, war er von dem Prinzen so bezaubert, daß er ihm seine Tochter Maria versprach. Diese Ehe kam dann im Jahre 1740 zu Stande, und die Ehepakten betonen noch besonders neben politischen Gründen auch die damit bedingte Verteidigung des evangelischen Glaubens. — Aber die

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