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fällen [Wechselfällen] des Lebens trifft er unter Seinesgleichen mit großem Takt und sicherem Gefühl den Ton, der für den Augenblick der passendste ist, und ist so im Vorteil dem Städter gegenüber, der durch die große Ausdehnung seines Verkehrs, durch die Notwendigkeit, in kurzer Frist mit Leuten verschiedenster Art umzugehen und verhandeln zu müssen, in seinen Redeformen verflacht und einen wie den anderen behandelt, und dem sehr oft bei erfreulichen oder traurigen besonderen Ereignissen ein Wort fehlt, das geeignet wäre, sein Gegenüber von der Aufrichtigkeit seiner Gefühle zu überzeugen. Der Bauer besitzt nicht die — manchmal zweifelhafte — Höflichkeit des Städters, aber auch für ihn ist die von Goethe gemeinte „Höflichkeit des Herzens, die der Liebe verwandt ist“, in Anspruch zu nehmen. Durch viele kleine eingestreute Erzählungen aus dem Volksleben, lebensvolle Züge, durch die scharf die Wesensart des Bauern, besonders aus dem Niederhessischen, beleuchtet wurde, verstand es der Redner ausgezeichnet, seine theoretischen Ausführungen zu beleben. Was in dem Vortrage geboten wurde, war wohl geeignet, zu einem Teil das heute so nötige Verständnis zwischen Stadt und Land, das gerade in den letzten Jahren mehr denn je verloren gegangen ist, von neuem zu wecken. Die sehr wertvollen Darlegungen werden, hoffentlich in nicht zu langer Zeit, in einer neuen Reihe der Geschichten aus der „Vergessenen Ecke“ auch einem weiteren Kreise zugänglich gemacht werden. — Nach Beendigung des sehr dankenswerten und von den Zuhörern dankbar und mit großem Beifalle aufgenommenen Vertrages machte der Vorsitzende, Herr Dr. Knetsch, noch auf zwei im Verlage von Elwert neuerdings erschienene Werke aufmerksam, das reich ausgestattete Buch von Friedrich Schmoll: „Die heilige Elisabeth in der bildenden Kunst des 13.—16. Jahrhunderts“, und das für die Geschichte und die Geschicke unserer Stadt im Mittelalter außerordentlich wertvolle Werk des Archivdirektors Geheimen Archivrats Dr. Küch: „Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Marburg 1).

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1) Der „Oberhess. Zeitung“ vom 29. Januar 1918 entnommen.

 

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