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BERICHTE

 

300 JAHRE HUGENOTTEN IN HESSEN-KASSEL
Die Bedeutung ihrer Aufnahme für die hessische und deutsche Geschichte
Karl-Hermann Wegner

Die Bezeichnung "Hugenotten" wird seit 1560 in Frankreich für die Anhänger der Lehre Calvins benutzt. Im engeren Sinn sind damit die französischen Protestanten gemeint, im weiteren alle französisch-sprachigen reformierten Gemeinden (auch Wallonen, Waldenser, Welsch-Schweizer). Vertreter all dieser Gruppen haben in Hessen-Kassel Aufnahme gefunden.
Nach den seit 1562 grausam geführten Religions- oder "Hugenotten-Kriegen" in Frankreich (24.08.1572 "Bartholomäusnacht") garantierte König Heinrich IV. von Frankreich im Edikt von Nantes (1598) den Hugenotten die Freiheit ihres Bekenntnisses und darüber hinaus weitgehende politische Selbständigkeit.
Die von den Jesuiten geführte Gegenreformation wurde seit dem Beginn der persönlichen Regierung Ludwigs XIV. 1661 durch administrative Maßnahmen, Drohungen und Gewalt des Staates (seit 1680 "Dragonaden" des königlichen Militärs) unterstützt. Mit dem Revokationsedikt von Fontainebleau vom 22.10.1685 wurde das Edikt von Nantes aufgehoben und so den Hugenotten jede Rechtsgrundlage entzogen. Die Kirchen wurden zerstört, die Pfarrer des Landes verwiesen, auch private Versammlungen hugenottischer Gemeinden wurden unter Strafe gestellt. Die Flucht aus Glaubensgründen wurde als Verbrechen gebrandmarkt und für die Frauen mit Arbeitshaus, für die Männer mit Galeerendienst bestraft. Dennoch setzte eine Massenflucht ein, die mindestens 250.000, möglicherweise bis zu 500.000 Menschen erfaßte.
Schon Landgraf Philipp der Großmütige hatte die Reformation in Frankreich diplomatisch, militärisch und vor allem finanziell unterstützt. Hessische Hauptleute führten deutsche Hilfstruppen in den Religionskriegen. Die verwandtschaftlichen Beziehungen des Landgrafenhauses zu Frankreich, auch zum Königshaus (die Mutter der briefschreibenden Lieselotte von der Pfalz, Schwägerin Ludwigs XIV., lebte als hessische Prinzessin am Hof in Kassel) waren sehr eng, wurden aber durch die Widerrufung des Edikts von Nantes jäh abgebrochen, weil sich Landgraf Karl von Hessen (1677-1730) offen zum Beschützer der Hugenotten erklärte. Als erster deutscher Fürst öffnete er mit der "Hessischen Freiheitskonzession" vom 18.04.1685 (in erweiterter Form am 12.12.1685 erneuert) den französischen Glaubensflüchtlingen sein Land und sicherte allen, die sich in seinem Lande niederlassen wollten, Schutz, wirtschaftliche Unterstützung, Glaubensfreiheit und den Gebrauch der eigenen Sprache in Kirche und Verwaltung zu.
Der erste französische reformierte Gottesdienst fand in Kassel am 28.10.1685 im Hause des französischen Kaufmanns Jérémie Grandidier statt (offizielle Gründung der französischen Gemeinde in Kassel). In den Folgejahren nahm Hessen-Kassel ungefähr 4.000 französische Einwanderer auf und war damit das deutsche Territorium, das im Verhältnis zur eigenen Fläche und Bevölkerungszahl (ca. 190.000) am meisten Hugenotten ansiedelte.
Bei der absoluten Zahl der aufgenommenen Hugenotten wird Hessen-Kassel nur von dem wesentlich größeren Brandenburg-Preußen übertroffen (ca. 200.000, davon eine große Zahl in Berlin).
In Hessen-Kassel wurden 21 Orte neu gegründet (darunter zwei Städte: Karlshafen und Kassel-Oberneustadt), 19 Dörfer und Städte hatten eine bedeutende Zuwanderung. Besondere Bedeutung erhielten die Gebiete konzentrierter Ansiedlung im ehemaligen Landkreis Hofgeismar und in Oberhessen, wo sich französische Kultur und Sprache sehr lange erhalten haben und im Ortsbild heute noch sichtbar sind. Die Eingliederung der französischen Siedlungen Hessen-Kassels in die deutschen Amtsbezirke wurde erst durch Verordnung vom 03.01.1800 hergestellt. Der Anschluß an die Landeskirche von Kurhessen fand 1836 statt. Das Französische verschwand

 

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