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stellt, ob die Lehrer, die den Religionsunterricht erteilen, nicht "auch auf andere Weise als durch den Religionsunterricht für die Bildung der ihnen an vertrauten Jugend würde[n] zu sorgen haben",26) und er gibt selber die Antwort, wenn er vorschlägt, "mit dem von den israelitischen Religionslehrern zu erthei 1enden Unterricht zugleich überhaupt den ersten Elementarunterricht zu verbinden".26) In einer ausführlichen Begründung entwickelt er einen Schulplan, der mit dem 1832 veröffentlichten fast identisch ist, und der seinen Ursprung in den früheren Gesprächen mit Moses Büdinger hat.

Die aus den Regierungsberatungen am 30. Dez. 1823 hervorgehende "Verordnung die gemeinheitlichen Verhältnisse der Israeliten betreffend", verrät deutlich Pinhas' Handschrift, wenn sie im § 12 bestimmt: "Die jüdischen Glaubensgenossen sind verbunden, ihre Kinder in die öffentlichen Schulen zu schicken. Es steht jedoch den Juden eines Ortes oder mehrerer benachbarter Orte frei, eine eigene öffentliche und mit geprüften Lehrern gehörig zu besetzende Schule unter der Aufsicht des Vorsteheramtes sowie des Kreisrathes und unter der Leitung der Regierung, mit der Genehmigung Unseres Ministeriums des Innern einzurichten."27) Auch das in der Verordnung enthaltene Verbot von Privatlehrern und die Bestimmungen über eine staatliche Prüfung der anzustellenden Lehrer entspricht genau den Vorstel lungen Pinhas 1 und Büdingers.

Damit ist für eine Schulgründung in Kassel grünes Licht gegeben. Das Vorsteheramt beantragt im Juni 1324, in Kassel "eine israelitische Spezial-Scnulanstalt" errichten zu dürfen, "welche in zwei Hauptklassen, eine obere und eine untere in Bezug auf den steigenden Gehalt des Unterrichts geschieden sein, und mit der oberen Klasse zugleich mittelst einer Abtheilung eine Anstalt für die zweckmäßige Bildung tauglicher Subjekte zu israelitischen Lehrern verbunden werden könnte."28)

Diesem Antrag entspricht das Innenministerium durch Beschluß vom 14. Oktober 1824. Es genehmigt "die Einrichtung einer eigenen israelitischen öffentlichen Schulanstalt für die Synagogengemeinde Kassel, welche zugleich Musterschule für andere israelitische Schulen der Provinz (Niederhessen) und eine Übungsschule für künftige Lehrer werden soll." Nach der Bekanntgabe von Verwaltungsanordnungen fährt der Ministerialbeschluß fort: "Bei dieser Schulanstalt nun werden vorerst Moses Büdinger aus Mardorf ... und Aron Rosenbach von hier zu ersten Lehrern bestellt."29) Die Berufung Büdingers beruht sicher auf dem Wort, das ihm Pinhas gegeben hat. Inzwischen aber genießt er selbst in der Welt der Gelehrten einen solchen Ruf, daß ihm Justi schon vor seiner Rückkehr nach Kassel einen Platz in Strieders "Grundlage zu einem Hessischen Gelehrten-, Schriftsteller- und Künstlergeschichte" zubilligt.30)

Im Januar 1825 kommt er nach Kassel zurück, entwirft Organisations-, Prüfungs- und Lehrpläne und unterbreitet Vorschläge für Schulbücher und weiter einzustellende Lenrer.31) Am 1. Mai 1825 wird die "Israelitische Schul- und Schullehrer-Bildungsanstalt", wie sie offiziell genannt wird, mit drei festangestellten und vier Hilfslehrern eröffnet. Sie umfaßt eine 3-jährige Elementarklasse und eine Oberklasse mit zwei aufeinanderfolgenden Abteilungen.

Die zweite Abteilung setzt den erfolgreichen Abschluß der ersten voraus und bil det das Seminar mit einem 3-jährigen Kurs, der mit einer Lehrerprüfung vor einer staatlichen Kommission abschließt. Wenn der Seminarist genügend vorbereitet ist, soll er sich in der Elementarklasse im Unterrichten üben. Die Regierung geneh migt den Lehrplan mit dem Hinweis, daß sie zwar billige, wenn die Oberklasse "als höhere Klasse der Schulanstalt überhaupt" fungiere und außer Seminaristen auch andere Schüler aufnehme, daß dabei aber "der erste Zweck," nämlich Lehrer auszubilden, "nicht als secundär behandelt werden (dürfe)." Die Lehrinhalte müßten so gehalten werden, daß auch Bewerber aus der Provinz ohne Nachhilfestunden am Unterricht der zweiten Abteilung teilnehmen könnten.32) Damit wird dem Seminar eine gewisse Eigenständigkeit zugesprochen.

Büdinger gelingt es zunächst, die in Kassel bestehenden Privatschulen auszuhöhlen und die israelitischen Kinder in seine Schule zu holen. Bis 1827 kann er ihre Zahl auf 72 steigern und die Schule 3-klassig führen. Hinzu kommen die von auswärts in die Seminarabteilung eintretenden Schüler.

 

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