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Auf dieser Grundlage öffnet sich die DDR ein internationales Feld zielgerichteter Kulturpolitik. So rücksichtslos man in der Tagespolitik auf Abgrenzung gegenüber dem westdeutschen Staat sieht, so entschlossener vertritt man - auch im Ausland - das kulturelle Erbe des ganzen deutschen Volkes und bezieht seine positiven Traditionen auf den eigenen Staat. Bundeskanzler Schmidt und Erich Honnecker verabredeten am Werbellinsee den Austausch repräsentativer Ausstellun gen. Während es der DDR gelang, auf hohem wissenschaftlichen Niveau in Westdeutschland Ausstellungen zu zeigen, die ein breites Publikum verschiedenster Bildungsschichten ansprachen, wandten sich die Ausstellungen der Bundesrepublik mit aktuellen, modernen Themen an ein kleines intellektuelles Publikum in der DDR (z.B. 19ö2 "Stadtpark - Parkstadt, eine Ausstellung der Bundesrepublik Deutschland zur Verbesserung des Wohnumfeldes in den Städten", September bis Dezember Berlin, anschließend Dresden). Die DDR zeigte 1982 in Hamburg mit der Ausstellung Karl Friedrich Schinkel das "Lebenswerk Schinkels und die Pflege seines Erbes in der DDR" und stellte eindrucksvoll eine wesentliche Epoche "in der Geschichte des deutschen Volkes" vor (so der ständige Vertreter der DDR in Bonn, Ewald Moldt, im Katalogvorwort).

Nicht nur hier gelang es der DDR, zentrale, zugleich populäre Themen der allgemeinen Deutschen Kulturgeschichte attraktiv darzustellen und dezent und unaufdringlich für die Repräsentation des eigenen Staates einzusetzen: 1979 "The Splendor of Dresden" in Washington, New York und San Francisco mit Schätzen aus dem Grünen Gewölbe und der Gemäldegalerie (Canaletto!).

1982 "Karl Friedrich Schinkel, l'Architetto del principe" in Rom (Konservato renpalast auf dem Capitol) und Venedig (Dogenpalast).

1984 "Ludwig Richter" in Hannover.

1984 "Barock und Klassik, Kunstzentren des 18. Jahrhunderts in der Deutschen Demokratischen Republik" mit: "Der augustäische Spätbarock in Dresden, Das fridericianische Rokoko in Berlin und Potsdam, Frühklassizismus in Weimar, Klassizismus und Landschaftspark in Wörlitz" auf der Schallaburg (Niederösterreich). Die Ausstellung war begleitet von einer sehr wirkungsvollen Öffentlichkeitsarbeit, dabei Auftritte von Erich Honnecker im österreichischen Fernsehen, wo er die DDR als Hüterin der deutschen Geschichte darstellte.

1985 "Les Huguenots en Brandenbourg-Prusse, leur rôle dans l'économie et la culture" in Paris (Kulturzentrum der DDR, Boulevard Saint-Germain).

1986 "Barock in Dresden, eine europäische Metropole im 18. Jahrhundert", Essen (Villa Hügel).

Augenfällig werden die Unterschiede im Anspruch und in der politischen Zielrichtung der Bearbeitung historischer Themen in Ost und West auch bei den Vorbereitungen zur 750-Jahr-Feier Berlins 1987. Während der Westen im Gropiusbau nahe der Mauer eine Ausstellung plant, die sich auf die letzten 250 Jahre, auf die moderne Metropole, die Ursache der Spaltung, d.h. alle Problemthemen Berlins, konzentriert, wird der Osten im Zeughaus mitten im historischen Berlin aus dem reichen Fundus der Berlin-Brandenburgischen Museen das Thema "Vom Fischerdorf und der Kaufmannsiedlung an der Fernstraße von Rom/Paris nach Moskau zur moder nen Hauptstadt" gestalten und damit das DDR-Grundthema all der großen anderen Ausstellungen neu illustrieren: Die DDR vertritt die Ausstrahlung und Mittlerfunktion der deutschen Kultur und Geschichte im Herzen Europas. Der Einsatz des historischen Berlin zur Selbstdarstellung der DDR wurde gerade im September 1985 wieder deutlich bei dem Besuch Willi Brandts bei Erich Honnecker!

Diese Bestrebungen von DDR-Wissenschaft und -Regierung wissen sich im Einklang mit weitesten Bevölkerungskreisen (deutlich bei Ereignissen wie der Wiedereröffnung der Dresdner Oper am 13. Februar 1985!). Dem gegenüber besteht in der Bundesrepublik ein sehr geschrumpftes Bewußtsein der Deutschen von Deutschland. Die DDR hat erkannt, daß sie Identität stiftet, wenn sie den politisch-sozialen

 

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