MHG, 1987, Neue Folge Nr. 14, S. 6

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mit Moses Mendelssohn ein, der in Berlin "als wirklicher Gelehrter unter allen Religionsparteien wirklich Epoche machte und dennoch seiner Religion treu blieb." Aber als jetzt einige Juden der "Fackel der Aufklärung" folgten und ihren Kindern "eine dem Zeitgeist angemessene Erziehung und Bildung" zuteil werden ließen, half ihnen das nicht viel; denn sie hatten keine Bürgerrechte, durften keine Staatsämter bekleiden oder bürgerliche Berufe ergreifen; sie konnten nur wieder Kaufmann werden." Unvermeidlich waren deshalb Konversionen oder lasche Einhaltung religiöser Gebote, was wiederum die "Stockjuden" darin bestärkte, "alle Aufklärung zu verbannen und ihre Kinder in Unwissenheit aufwachsen zu lassen."8) Nur Erziehung und Bildung kann diesen desolaten Zustand ändern. "Wir glauben", schreibt Jacobson, "daß die ehemaligen Regenten mit uns zugleich schamrot werden müssen, wenn wir sagen, daß nicht eine einzige Schule im ganzen Königreiche vorhanden war und bis jetzt noch nicht vorhanden ist; ... ebensowenig existiert ein einziger Gemeinde-Schullehrer. Auch ist bis jetzt nicht eine Art Unterricht festgesetzt. In jedem Lande, in jedem Orte, in jedem Hause, wo Unterricht ge geben wird, ist er anders." Auf der einen Seite ist es empörend, "daß der Staat Menschen so vernachlässigt", auf der anderen Seite bewundernswert, "daß der gemeine Haufen in dem rohen Zustand nicht ganz zu den Tieren herabsank", ja, daß das israelitische Volk "trotz Druck und Verwahrlosung" dennoch viele gelehrte Männer aufweisen kann.9)

Mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht für alle israelitischen Kinder reagiert der Innenminister 1809 auf die Vorstellungen Jacobsons: "in jeder Stadt, wo eine bedeutende Anzahl Kinder israelitischer Eltern sich befindet, soll eine öffentliche Lehranstalt errichtet werden; in jedem kleinen Ort oder in solchen Städten, wo nur wenige Israeliten wohnen und die Anzahl der Kinder klein ist, soll für den Religions- und den hebräischen Sprachunterricht ein Lehrer vom Consistorium angestellt, der deutsche Unterricht hingegen von christlichen Lehrern des Ortes besorgt werden, die Eltern sind zur Zahlung von Schulgeld verpflichtet; ohne Prüfung oder Genehmigung des Consistoriums darf niemand Religionsunterricht weder an Privat- noch öffentlichen Schulen erteilen; bis zur vollen Durchführung der Schulverbesserung ist jede Tätigkeit der Privat lehrer verboten."10)

Konsistorialverordnungen treffen nähere Bestimmungen und kündigen die Einrichtung einer zentralen, über die Elementarbildung hinausgehende Schule und eines Lehrer- und Rabbinerseminars in Kassel an. Die sog. "Konsistorialschule" wird am 15. August 1809, dem zum "Napoleonstag" deklarierten Geburtstag des Kaisers der Franzosen, in Gegenwart hoher geistlicher und weltlicher Würdenträger feier lich eröffnet.11) Sie zeichnet sich durch fähige Lehrer aus, denen u.a. Isaac Rosenzweig, der Stammvater der Familie Rosenzweig gehört, und sie übt auch auf die angesehenen jüdischen Familien Kassels eine solche Anziehungskraft aus, daß Privatschulen und Privatunterricht eingehen.12) Gleichzeitig ist sie Vorberei tungsanstalt für das Seminar, das am 23. September 1810 mit der Ausbildung zukünftiger "Schul- und Volkslehrer der Israeliten" beginnt. Auf einen Nenner gebracht heißt das: Für alle israelitischen Kinder gilt die allgemeine Schulpflicht; die Juden haben das Recht, eigene öffentliche Schulen zu gründen; den Unterricht erteilen Lehrer, die sich zuvor einer Prüfung unterzogen haben, und die Lehrer werden in einem israelitischen Seminar ausgebildet. Damit ist der Weg zu einem eigenständigen israelitischen Bildungssystem vorgezeichnet, das von der Volksschule bis zur Lehrerausbildung reicht. Die politischen Ereignisse überrollen Jacobsons Pläne. Mit seinem König muß auch er Kassel 1813 verlassen.

Das Königreich Westphalen zerfällt, das Kurfürstentum Hessen wird wieder hergestellt, in Kassel regiert der aus dem Exil zurückgekehrte Kurfürst Wilhelm I. Er ist darauf bedacht, das Intermezzo der französischen Herrschaft zu ignorieren und alle Spuren des verhaßten Usurpators zu tilgen. So versetzt er auch die

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..	-6- mit Moses Mendelssohn ein, der in Berlin "als wirklicher Gelehrter unter allen Religionsparteien wirklich Epoche machte und dennoch seiner Religion treu blieb." Aber als jetzt einige Juden der "Fackel der Aufklärung" folgten und ihren Kindern "eine dem Zeitgeist angemessene Erziehung und Bildung" zuteil werden ließen, half ihnen das nicht viel; denn sie hatten keine Bürgerrechte, durften keine Staatsämter bekleiden oder bürgerliche Berufe ergreifen; sie konnten nur wieder Kaufmann werden." Unvermeidlich waren deshalb Konversionen oder lasche Einhaltung religiöser Gebote, was wiederum die "Stockjuden" darin bestärkte, "alle Aufklärung zu verbannen und ihre Kinder in Unwissenheit aufwachsen zu lassen."8) Nur Erziehung und Bildung kann diesen desolaten Zustand ändern. "Wir glauben", schreibt Jacobson, "daß die ehemaligen Regenten mit uns zugleich schamrot werden müssen, wenn wir sagen, daß nicht eine einzige Schule im ganzen Königreiche vorhanden war und bis jetzt noch nicht vorhanden ist; ... ebensowenig existiert ein einziger Gemeinde-Schullehrer. Auch ist bis jetzt nicht eine Art Unterricht festgesetzt. In jedem Lande, in jedem Orte, in jedem Hause, wo Unterricht ge geben wird, ist er anders." Auf der einen Seite ist es empörend, "daß der Staat Menschen so vernachlässigt", auf der anderen Seite bewundernswert, "daß der gemeine Haufen in dem rohen Zustand nicht ganz zu den Tieren herabsank", ja, daß das israelitische Volk "trotz Druck und Verwahrlosung" dennoch viele gelehrte Männer aufweisen kann.9) Mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht für alle israelitischen Kinder reagiert der Innenminister 1809 auf die Vorstellungen Jacobsons: "in jeder Stadt, wo eine bedeutende Anzahl Kinder israelitischer Eltern sich befindet, soll eine öffentliche Lehranstalt errichtet werden; in jedem kleinen Ort oder in solchen Städten, wo nur wenige Israeliten wohnen und die Anzahl der Kinder klein ist, soll für den Religions- und den hebräischen Sprachunterricht ein Lehrer vom Consistorium angestellt, der deutsche Unterricht hingegen von christlichen Lehrern des Ortes besorgt werden, die Eltern sind zur Zahlung von Schulgeld verpflichtet; ohne Prüfung oder Genehmigung des Consistoriums darf niemand Religionsunterricht weder an Privat- noch öffentlichen Schulen erteilen; bis zur vollen Durchführung der Schulverbesserung ist jede Tätigkeit der Privat lehrer verboten."10) Konsistorialverordnungen treffen nähere Bestimmungen und kündigen die Einrichtung einer zentralen, über die Elementarbildung hinausgehende Schule und eines Lehrer- und Rabbinerseminars in Kassel an. Die sog. "Konsistorialschule" wird am 15. August 1809, dem zum "Napoleonstag" deklarierten Geburtstag des Kaisers der Franzosen, in Gegenwart hoher geistlicher und weltlicher Würdenträger feier lich eröffnet.11) Sie zeichnet sich durch fähige Lehrer aus, denen u.a. Isaac Rosenzweig, der Stammvater der Familie Rosenzweig gehört, und sie übt auch auf die angesehenen jüdischen Familien Kassels eine solche Anziehungskraft aus, daß Privatschulen und Privatunterricht eingehen.12) Gleichzeitig ist sie Vorberei tungsanstalt für das Seminar, das am 23. September 1810 mit der Ausbildung zukünftiger "Schul- und Volkslehrer der Israeliten" beginnt. Auf einen Nenner gebracht heißt das: Für alle israelitischen Kinder gilt die allgemeine Schulpflicht; die Juden haben das Recht, eigene öffentliche Schulen zu gründen; den Unterricht erteilen Lehrer, die sich zuvor einer Prüfung unterzogen haben, und die Lehrer werden in einem israelitischen Seminar ausgebildet. Damit ist der Weg zu einem eigenständigen israelitischen Bildungssystem vorgezeichnet, das von der Volksschule bis zur Lehrerausbildung reicht. Die politischen Ereignisse überrollen Jacobsons Pläne. Mit seinem König muß auch er Kassel 1813 verlassen. Das Königreich Westphalen zerfällt, das Kurfürstentum Hessen wird wieder hergestellt, in Kassel regiert der aus dem Exil zurückgekehrte Kurfürst Wilhelm I. Er ist darauf bedacht, das Intermezzo der französischen Herrschaft zu ignorieren und alle Spuren des verhaßten Usurpators zu tilgen. So versetzt er auch die	..


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