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und auch in den anderen größeren Städten Mitglieder des VHG wurden und meist anregend und aktiv im Vereinsleben mitmachten. Die wenigsten Kaufleute machten Angaben über die Art ihrer Tätigkeit und die Fabrikanten hielten genaue Angaben über ihre Fabrikate bei ihren Personalangaben für überflüssig. In Kassel wurde zwar der Hofwagenfabrikant und der Hofpianofortefabrikant genannt, aber auch in Hersfeld bezeichneten sich z.B. die stadtbekannten Herren Braun und Rechberg als Fabrikanten, ohne ihr Fabrikat (Tuch!) zu nennen. Allerdings nannte sich der ehe malige Papiermüller bei Rengshausen (Kreis Rotenburg) jetzt "Papierfabrikant".

Die Gruppe der "Selbständigen" besteht aus solchen Mitgliedern, die sonst kaum einzuordnen sind. Ist ein Brauereibesitzer noch Brauer oder schon "Fabrikant"?, wozu gehört ein Bankier? Meist sind dieser Gruppe Besitzer von kleinen Betrieben zugeordnet, die z.B. nicht mehr Müller, Färber, Buchdrucker oder Bäcker sein mochten, sondern sich als "Besitzer" fühlten und verstanden.

Die kleine Gruppe der Rentiers, Particuliers, Privatleute oder Rentner, die im VHG waren, waren vermutlich wohlhabende oder auch nicht mehr berufstätige Männer, die von den Einkommen aus ihren Kapitalien oder Besitzungen lebten.

Es bleiben noch die Handwerker zu nennen, die 1861 zum ersten Male im Mitgliederverzeichnis aufgeführt wurden. Der erste war der Hof-Maurermeister Crede in Kas sel, 1864 kam der Hofzimmermeister dazu, ein Maschinenmeister mit seinem Sohn (?) als Assistent, der Hofschuhmacher usw. Waren nun diese Männer in den Städten die ersten Bildungshungrigen aus dem angesessenen Bürgertum oder fühlten sie sich durch Mitgliedschaft in einem angesehenen wissenschaftlichen Verein sozial gehoben? Ich möchte hier auf die Beantwortung dieser Frage verzichten und dafür einige Handwerksberufe aus den Verzeichnissen von 1891 und 1904 nennen, die heute kaum noch bestehen und damals vorwiegend in der Großstadt Kassel ihr Brot verdienen konnten: Vergolder, Mechanikus, Lithograph, Xylograph (Holzschnitthersteller), Graveur, Schönfärber (Färber, der die Tuche hell, schön und dauerhaft färbte), sogar zwei Federschmücker (färbte Federn, die als Schmuck für Bett und Hut dienten), Zahnkünstler (Zahnheilkundiger, dem der Name Zahnarzt gesetzlich nicht zustand), Oberbereiter (erster Zureiter). Dazu noch ein paar Berufe, die ungewöhnlich klingen: Faktor und Oberfaktor (Geschäftsführer), Kommissionäre (Geschäftsführer), Inspektoren und Generalagenten usw. Alle schienen sich - zumindest in ihrem bürgerlichen Lebensrahmen - als Aufsteiger zu fühlen und traten dem Geschichtsverein bei, der von Anfang an für jedermann offen stand.

Wirklich jedermann? Keine Frau wagte es, Mitglied zu werden. Erst 50 Jahre nach der Gründung, im Jahr 1884, werden die ersten Frauen im Verzeichnis der Mitglie der aufgeführt, gleich 14 Frauen an ganz verschiedenen Orten. In Kassel werden zuerst zwei adelige Frauen aufgeführt, von denen eine Oberhofmeisterin a.D. ist. Eine bürgerliche Frau folgte mit ihrer unverheirateten Schwester und drei weitere "Fräulein", darunter die Schriftstellerin Emilie Wepler. In Hanau werden "Frau General Frey" und "Frau Major Wille, Anna" angegeben, in Neustadt eine natürlich unverheiratete Lehrerin an der Mädchenschule (unter acht männlichen Vereinsmitgliedern im Städtchen !) und in Fulda die Äbtissin des freiadeligen Stiftes Wal lenstein und ihre Dechantin, Amalie Gräfin zu Isenburg-Philippseich. 1904 wurden erstmals Witwen ehemaliger Mitglieder genannt, die im Verein bleiben wollten 23 Frauen unter fast 1700 Männern, immerhin über 1 %, und von diesen Frauen war nur eine wirklich berufstätig, die Lehrerin in Neustadt!

Was können wir nun zum Abschluß dieser aus sehr viel Material zusammengestellten Angaben über die Entwicklung des VHG und über seine Mitglieder aussagen:

1. Der Verein ist wie bei der Gründung ein im wesentlichen kurhessischer Geschichtsverein geblieben. Seine Ausstrahlung in die Nachbarländer des damaligen Deutschen Bundes und des späteren Deutschen Reiches war offenbar beachtlich, aber meist auf die Hessen außerhalb ihrer Heimat bezogen - es gab

 

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