..

-18-

 

Wie damals wegen der angespannten Finanzlage allgemein üblich, hielten sich die Buchbestellungen in eher bescheidenem Rahmen, überwiegend wurde aus den An sichtssendungen kritisch ausgewählt, sonstige Bestellungen erfolgten ausnahms los nur mit vollständigen bibliographischen Angaben, wozu die bekannten biblio graphischen Periodika und Nachschlagewerke heranzuziehen waren. Während dieser dritten Ausbildungsphase, - es waren die Monate Februar und März 1933 -, also die Zeit des radikalen politischen Umbruchs, kamen die Werke, die bislang en vogue gewesen waren, in den sogenannten "Giftschrank". Mit diesen Sekretierungen hatte ich zwar nichts zu tun, blieben jedoch trotz des Versuchs tunlichster Geheimhaltung niemandem verborgen. Was die Akzession betraf, so kam es nun darauf an, nicht ins andere Extrem zu verfallen, geflissentlich jedes schnell auf den Büchermarkt geworfene Machwerk zu erwerben. Anzulegen war mehr denn je eine kritische Sonde. Natürlich war die Anschaffung der grundlegenden NS-Literatur, soweit noch nicht geschehen, nicht zu umgehen, so z.B. die Darresche Blut-und-Boden-Literatur, der Rosenbergsche Mythus, Goebbels-Propagandaschriften, die wie Pilze aus dem Boden schießenden Untersuchungen zur Rassenkunde, mehr oder weniger von Hans F. K. Guenther beeinflußt. Müßig, ihnen posthum die zweifelhafte Ehre angedeihen lassen zu wollen, hier noch weitere aufzuführen. Die Erwerbungs politik blieb unbeeindruckt, klar umrissen. Sie wurde wie bisher konsequent weiter verfolgt.

Da die Hessische Landesbibliothek das in Kurhessen-Waldeck erschienene Schrift tum als Pflichtexemplar erhielt, dieses natürlich auch in der Murhardschen Bibliothek zur Verfügung stehen mußte, waren auf diesem Sektor die wichtigeren Neuerscheinungen ebenfalls zu erwerben. Nicht im Buchhandel erhältliche Ver öffentlichungen, wie Jubiläums- und Festschriften, Firmenpublikationen u. dgl. wurden entweder als Geschenk erbeten oder direkt bestellt, alles streng aus wahlweise. Manche dieser Schriften erreichten die Bibliothek ohnehin unaufge fordert und unberechnet, woran sich der hohe Bekanntheitsgrad der Bibliothek unschwer ermessen läßt.

In Sachen Akzession erwies sich eine gewisse Absprache mit den zuständigen Kollegen der Landesbibliothek stets aufs neue als sinnvoll und, weil kostensparend, als nützlich. Diese einmal eingeführte Praxis wurde, da sie sich be währt hatte, weiter aufrechterhalten und weitergeführt. Im Verkehr mit den Buchbindern lag die Einführung in diesen Dienstzweig in Händen des Bibl.-Obersekretärs Pflüger, der in seiner ganzen Art und Umgangsweise äußerst korrekt und selbstsicher, im Dienst peinlich genau war. In den langen Jahren seiner Berufstätigkeit hatte er sich so gut in die Materie eingearbeitet, daß er mit all ihren Einzelheiten absolut vertraut war. Nie verlor er den Überblick, schon gar nicht die Fassung, wenn jemand etwa versuchen wollte, ihm ein X für ein U vorzumachen. Er ließ sich niemals aus dem Konzept bringen. Dem Auszubildenden gegenüber wurde diesem, zur nicht geringen Überraschung, schon nach relativ kurzer Einarbeitungszeit, reichlich freie Hand gewährt, allerdings nicht, ohne abschließend die erledigten Arbeiten kontrolliert zu haben. Dies, wie er sich fast entschuldigend auszudrücken pflegte, um wenigstens nachts ruhig schlafen zu können. Denn in der für das gesamte Personal eingeführten dreistündigen Mittagspause, in der die Bibliothek geschlossen blieb, fand er kaum Schlaf, so sehr war er schon im Geist mit dem Fortgang und Abschluß der begonnenen Arbeiten beschäftigt. Dies trug ihm seitens des im gleichen Beamtenzimmer sitzenden jüngeren Kollegen Spenner von oben herab die spöttelnde Bemerkung ein, das habe er davon, daß er nur mit der Bibliothek verheiratet sei.

Bei der Vergabe der Buchbinderarbeiten war darauf zu achten, daß die Auftrag nehmer in jedem Einzelfall genau anzuweisen waren, mit welchem Einband das zu bindende Buch zu versehen sei. Aus den vorgelegten Mustern wurde verbindlich ausgewählt, selbst die Farbe des Einbandes war exakt zu bestimmen. Trotzdem: Versehentlich hatte einmal ein Buchbinder ein ungebunden geliefertes Buch, den Marxismus und Nationalsozialismus betreffend, nicht knallrot gebunden. Der

 

..