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Mit den Mitteln der Archivarbeit, Zeitungsauswertung, der politisch-soziolo gischen Wahl-, Sozial Struktur-, Organisations- und Institutionsanalyse sowie mittels retrospektiver Interviews ("oral history") wird die politische Kul tur des sogenannten "roten Landkreises" bzw. des "roten Gürtels" um Kassel rekonstruiert;
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ein Konzept der historischen politischen Kulturforschung soll methodisch und theoretisch so verfeinert werden, daß die Verbindung "objektiver Strukturen" und "subjektiver Verhaltensweisen" erforscht werden kann. Die Vermittlung beider Arbeitsebenen soll davor schützen, a) sich nur auf den historiographischen Positivismus (z.B. einer unkritischen Heimatgeschichte) zu beschränken oder b) abstrakte Deduktionen und abgehoben-empirieferne Forschungspro grammatik vorzustellen.
Eine regionalanalytisch konkretisierte politische Kulturforschung analysiert die Bezüge zwischen den normativen Ordnungssystemen, dem soziostrukturellen "Milieu" und den Organisations- wie Handlungsangeboten des "politischen Systems". Es geht um die Innenseite des "politischen Systems", um dessen Verankerung in der regionalen Lebenswelt. Dazu werden die Entsprechung oder Brüche zwischen objektiven Strukturen und deren subjektiven Deutungen untersucht; d.h. es wird untersucht, ob die Ansprüche der Verfassung, Organisationen (Parteien) und Institutionen in den alltäglichen Prozessen der Reproduktion, des Vereinslebens und der "gemischten" Ökonomie (Familienwirtschaft, Arbeitsleuteverhältnis), Lohnarbeit tatsächlich verankert sind. Die kritische Betrachtungsposition ergibt sich aus der Feststellung, daß die normativen und organisatorischen Ansprüche des demokratischen Verfassungs- und Parteienstaates die lebensweltlichen Verhältnisse nicht durchgängig bestimmen, daß die demokratischen Teilhaberrechte durch die Tradi tionen begrenzt werden.
Zur Darstellung des Forschungskonzepts vgl. Eike Hennig, "Politischer Wandel und parochialpartizipative politische Kultur-Formen", in: Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 18/1987, S. 96-111; vgl. ebd. (S. 112-122) auch die in diesem Zusammenhang entstandene Projektskizze: "Politische Kultur der Mittelschichten im Übergang zum Nationalsozialismus" von Thomas Schlegel-Batton. Mit wahl-analytischer Schwerpunktsetzung ist das Forschungskonzept am Beispiel einer Analyse Oberzwehrens und der Wahlentwicklung im Landkreis Kassel (1928-1933) er probt worden. Die Analyse Oberzwehrens ist 1987 von der Stadtsparkasse Kassel als Manuskript (66 Seiten) vervielfältigt worden. Die Wahlanalyse des Landkrei ses ist in der ZHG 92, 1987, S. 205-245, publiziert worden. Diese empirischen Analysen stützen sich vor allem auf Archivalien (Geheimes Staatsarchiv Berlin-Dahlem, Bundesarchiv Koblenz, Staatsarchiv Marburg, Stadt-/Gemeindearchive) und auf die Auswertung des "Kasseler Volksblattes" (SPD).
In Arbeit ist die Veröffentlichung eines Wahlhandbuchs, das für die Jahre 1919 bis 1933 und für alle 46 Gemeinden des Landkreises Kassel (in den Grenzen bis 1936) die Wahl- und Sozial Strukturdaten enthält. 1989 darf mit dem Abschluß paralleler Forschungsarbeiten bzw. von Dissertationen zur Darstellung der Landkreise Fritzlar und Alsfeld durch die Mitarbeiter Manfred Kieserling und Thomas Schlegel-Batton gerechnet werden. Unter den Gesichtspunkten der "Modernisierung" ("operationalisiert-ökonomisch - als Durchsetzung qualifizierter Lohnarbeit und als Trennung von Arbeit und Wohnung sowie - politisch - als Abbau konkret-per sonalisierter Bindungen bzw. als Durchsetzung parteienstaatlicher Orientierun gen), der Binnenwanderung (Bevölkerungswachstum, Integration von Evakuierten, Flüchtlingen und Vertriebenen) und des Systemwechsels (Weimarer Republik, Präsidialdiktatur, Nationalsozialismus, amerikanische Besatzung, Bundesrepublik) sollen - mittelfristig - die drei Landkreise Alsfeld, Fritzlar und Kassel im Zeitraum 1918/19 bis 1953 miteinander verglichen werden: Politische Kulturforschung behandelt langfristige Prozesse der Orientierung und Umorientierung, die durch den Vergleich besonderer und allgemeiner Entwicklungsverläufe sowie von objektiven Strukturen, kollektiven Deutungen wie subjektiven Verhaltens weisen erforscht werden.