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schädlichen Ungeziefers" erfunden. Rezept Nr. 1 diente zum "Vertilgen der Wanzen und Flöhe", Rezept Nr. 2 zur "Ausrottung der Wanzen und deren Brut", Rezept Nr. 3 zur Ausrottung der Motten", Rezept Nr. 4 zum "Ausrotten der Schwaben", Rezept Nr. 5 zur "Ausrottung der Maulwürfe etc.", Rezept Nr. 6 zum "Tödten und Ausrotten der Ratten und Mäuse", Rezept Nr. 7 zur "Vertilgung der Ratten und Mäuse" und Rezept Nr. 8 zur "Vertilgung der Kleiderläuse und deren Brut". Eine "Generalwaffe" gegen jegliches Ungeziefer und Ungetier war also noch unbekannt! Die einzelnen Behörden in Kurhessen wurden danach mit Material an Pillen und Pulver versorgt und hatten die Pflicht, nach einiger Zeit von den Erfolgen ihres Kampfes zu berichten. Während einige Behörden stolz berichten konnten, sie hätten die Mittel mangels unliebsamer tierischer Gäste gar nicht zur Anwendung bringen müssen, machten andere aus ihrer Enttäuschung kein Hehl. Die Landgestütedirek tion in Kassel berichtete am 11. Februar 1856:

"In Gemäßheit der Hochverehrlichen Beschlüsse vom l6ten Juny und den 20ten Sep tember vorigen Jahres haben wir seit dem Anfange dieses Jahres von den von dem Zuchthausinspector Haas dahier zubereiteten Geheimmitteln zur Vertreibung und Vertilgung von Ratten und Mäusen eine Quantität bezogen und solche nach der deßhalbigen Anweisung in unsern Localitäten in Anwendung gebracht, allein sie sind ohne allen Erfolg geblieben, indem sich seitdem das fragliche Ungeziefer fortwährend vermehrt hat, so daß es dermalen dringend nöthig ist, daß bald wieder wirksame Mittel dagegen angewendet werden.

Bis zum Schlusse des vorigen Jahres hatte sich der Hofkammerjäger Luß zu Eschwege zur Vertreibung etc. desselben in unsern sämmtlichen Localitäten und Räumlichkeiten für die jährliche Vergüthung von 4 Reichthalern verpflichtet, und so oft derselbe von seinem Mittel dagegen anwendete, wurde jedesmal eine bedeutende Ver minderung an Ratten und Mäusen wahrgenommen.

Indem wir dieses hiermit ehrerbietig berichten, fragen wir zugleich gehorsamst an, welche Mittel wir dermalen und künftighin zur Vertreibung und Vertilgung des sich in unsern Localitäten in auffallender Weise vermehrenden fraglichen Unge ziefers in Anwendung bringen sollen."

Das Innenministerium ordnete an, es doch noch einmal mit Rezept Nr. 6 zu versuchen. Am 26. April 1856 berichtete die Landgestütedirektion, daß die zur Anwendung gebrachten Mittel des Rezeptes Nr. 6 ebenfalls ohne Erfolg geblieben seien.

Auch der Hausmeister des Hospitals Haina stellte im Bericht vom 11. Februar 1856 sonderbare Dinge fest:

"Von den zulezt erhaltenen Pillen habe ich nur einige Male welche gelegt, die zum Theile gefressen worden, zum Theile liegen geblieben sind. Die Ratten spazieren dabei am hellen Tage noch in ihre Schlupfwinkel, und es erscheint mir immer zweifelhafter, daß dieselben von den Pillen krepiren. Vielleicht wird das Gift durch Wasser, welches sich die Ratten in den Kanälen überall verschaffen können, neutralisirt. Todte Ratten haben wir noch nirgends aufgefunden. Die Mäuse fressen die Pillen nur im äußersten Nothfalle, wenn sie nichts anders zu fressen haben und dann nur eine kleine Portion und nur einmal. Später fressen sie nicht wieder davon.

Nach diesen Erfahrungen kann ich die genannten Pillen nicht für Radikalmittel zur Vertilgung der Ratten und Mäuse halten, obwohl ich zugebe, daß einzelne da von getödtet werden."

Nachdem die Regierungskommission zu Rinteln unter dem 14. Februar 1856 berichtet hatte, daß sich seit der Anwendung der "Geheimmittel" Mäuse und Ratten in einem hohen Maße vermehrt hätten, bestand das Innenministerium nicht mehr auf der An wendung und überließ es den einzelnen Behörden, die geeigneten Maßnahmen zu er greifen.

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