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Arbeiten, daß er unter Aufsicht eines Lehrers wöchentlich wenigstens ein Mal in der untersten Classe den Lese-Unterricht übe." Wenn der angehende Lehrer das Seminar verläßt, soll er "allen an den israelitischen Schullehrer zu machenden Anforderungen vollkommen entsprechen können."

Verwaltet wird die Anstalt vom Provinzial-Vorsteheramt, das sich dazu eines Schulvorstandes bedient; die Aufsicht führt die Regierung. Zur Finanzierung sind vorgesehen: Beiträge aus dem Gemeinde- und Provinzetat, Spenden der Gesellschaft der Humanität und Schulgeld für die die Schulklassen besuchenden Kinder. Das Seminar bleibt schulgeldfrei. Dieser Plan braucht einen Vergleich mit dem zur gleichen Zeit in Kassel bestehenden christlichen Landschullehrerseminar nicht zu scheuen.

Bemerkenswert ist der systematische schulische Unterbau des Seminars, der diesem Schüler zuführt, deren Niveau erheblich über dem der christlichen liegt, von denen nur die Kenntnisse eines guten Konfirmanden erwartet werden. Allerdings hat der im Judendeutsch aufwachsende Seminaraspirant auch erhöhte Vorleistungen zu erbringen; er muß sowohl das Hochdeutsche als auch das Hebräische, also zwei "Fremdsprachen" erlernen, zu denen als dritte noch das Französische hinzukommt. Am Lehrplan fällt auf, daß darin jegliche auf die Schulpraxis ausgerichtete pädagogische oder methodische Unterweisung, wie etwa die Einführung in die Kunst des Katechisierens fehlt; auffällig ist es deshalb, weil sie zur eigentlichen Berufsausbildung gehört, in staatlichen Seminaren üblich ist und auch in einem gleichzeitig in Berlin laufenden - allerdings gescheiterten - Versuch einer israelitischen Seminargründung unter den Begriffen "Erziehungslehre. Pädagogik, Didaktik, Methodik" einen hohen Stellenwert einnimmt.7) Wie schon der Untertitel des Schulplans, "israelitische Bürger- und Realschule, verbunden mit einem Schullehrer-Seminarium", deuten beide Merkmale darauf hin, daß die obere Klasse als eine Einheit gedacht ist, in der aber jede Abteilung eine Doppelfunktion erfüllt: die untere dient sowohl der Vorbereitung auf das bürgerliche Erwerbsleben als auch der Vorbereitung auf die Lehrerausbildung, die obere als Seminar für die Ausbildung zukünftiger Lehrer und als Vorbereitung auf weiterführende Studien zum Rabbinat.

Bei dieser Konstruktion können bestimmte Fächer in der unteren Abteilung abgeschlossen werden und die obere entlasten. Prinzipiell spielt die allgemeine Wissensvermittlung eine größere Rolle als die berufsspezifische Ausbildung. Sie folgt damit einem auch in der staatlichen Lehrerbildung üblich gewesenen Muster, diese an ein Gymnasium anzubinden, so z.B. in Kassel. Aber die Verzahnung geschieht genau in dem Augenblick, in dem sich das staatliche Lehrerseminar in Kassel vom Lyceum Fridericianum löst und seine Eigenständigkeit gewinnt, indem es Jugendliche mit abgeschlossener Volksschulbildung direkt aufnimmt.8) Aber woher sollte das israelitische Seminar seine Zöglinge bekommen, solange es keine israelitischen Schulen gab?

Aus dieser Einsicht heraus scheint auch die Regierung zu handeln. Sie genehmigt am 11. Mai 1825 den Schulplan mit geringfügigen Korrekturen, bemerkt aber dazu grundsätzlich, daß sie nur "vorerst" zulassen werde, wenn das Seminar "nicht blos für Seminaristen (...) bestimmt seyn. sondern die höhere Klasse der Schulanstalt überhaupt bilden soll(e)."9) ; Grundsätzlich aber dürfe der "erste Zweck nicht als sekundär behandelt (werden)"; denn zur Aufnahme in das Seminar seien nicht nur die in der Kasseler Schule vorgebildeten, sondern auch Bewerber aus der Provinz berechtigt. Ihnen sei nicht zuzumuten,

 

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