..

-11-

Ministerium den Niederhessen ihren Seminarwunsch erfüllen, sicher auch in der Erwartung, daß dieses Modell, das dem staatlichen entspricht, sich allgemein durchsetzen wird. Als sich das als Irrtum erweist, lehnt es zwar ein wegen der zu erwartenden geringen Schülerzahl funktionsunfähiges zweites Seminar ab, es untersagt auch die Teilnahme israelitischer Bewerber an ausdrücklich christlich geprägten Seminaren, aber die Art und Weise der Ausbildung ihrer Lehrer kann es den drei Provinzen nicht vorschreiben, für Kassel nur werben. Seit 1833 haben sich bei allen Regierungen Prüfungskommissionen etabliert, vor denen privat und autodidaktisch vorgebildete Lehramtsbewerber ihre Eignung nachweisen. Es liegt allein in der Hand der Eltern, wie und wo sie ihre Söhne ausbilden lassen wollen, und manche Angehörige der renitenten Provinzen entscheiden sich für das Seminar in Kassel.

In den ersten Jahren besuchen die zukünftigen Zöglinge des Seminars, soweit sie aus Kassel stammen, schon von der Elementarklasse an die Schulanstalt; auswärtige steigen in die Mittel- oder Oberklasse ein, einige, die eine genügende Vorbildung nachweisen, auch direkt in das Seminar selbst. Mit dem Verfall der Schule steigt die Zahl derer, die vor allem vom Lande kommen und nach einer Aufnahmeprüfung unmittelbar in das Seminar eintreten. Ihre Vorbildung haben sie auf verschiedene Weise gewonnen, oft in der christlichen Ortsschule mit zusätzlichem Unterricht bei einem Rabbiner, manchmal auch durch Privatlehrer. Nicht selten bewerben sie sich auf Empfehlung und mit Gutachten der christlichen Lehrer - übrigens ein Verfahren, das für den Volksschullehrernachwuchs bis zum Beginn unseres Jahrhunderts allgemein geläufig ist. Die jüdischen Aspiranten sind alle armer Leute Kind; zu kärglich ist die Dotation, die sie später im Amt erwartet, als daß sie wohlhabendere Eltern reizen könnte, ihre Söhne dem Lehrerberuf zuzuführen. Infolgedessen sind fast alle Seminaristen auf Benefizien angewiesen, die ihnen den Lebensunterhalt in Kassel erst ermöglichen. Soweit sie aus Niederhessen stammen, sorgt dafür die israelitische Provinzialkasse, aber auch Bewerber aus den übrigen Provinzen begehren Einlaß in das Seminar. Sie bringen das Vorsteheramt zeitweilig in eine Zwickmühle. Gesetzlich zugelassen sind nur einheimische Niederhessen, aber "gegen die Regel" werden auch "Fremde" aufgenommen; zum einen, weil sie immerhin ein geringes Schulgeld bezahlen, zum anderen, weil sie Gelegenheit bieten, die anderen Vorsteherämter daran zu erinnern, daß sie Nutznießer des Kasseler Seminars sind und sich eigentlich an den Kosten zu beteiligen hätten, die sich bei Einrichtung eines Zentralseminars gerechter verteilen ließen. Die in der Regel 6-8 Zöglinge werden in einigen Fächern gemeinsam, in anderen getrennt im gleichen Klassenraum unterrichtet. Sie wohnen zunächst in Privathäusern; sofern sie dort nicht beköstigt werden, erhalten sie "Freitisch" bei wohlhabenden und mildtätigen Glaubensgenossen oder sie werden in Familien verpflegt, die aus mildtätigen Stiftungen wie der Gesellschaft für Humanität Zuschüsse empfangen. 1856 werden sie in einem Konvikt zusammengefaßt, so daß alle in einem Hause wohnen und schlafen können und unter besserer Aufsicht stehen. An dieser Situation änderte sich in kurhessischer Zeit nichts.

Drei tüchtige "ordentliche Lehrer" und vier Hilfslehrer stehen der Anstalt anfangs zur Verfügung. Büdinger und Rosenbach sind schon durch das Gründungsreskript berufen worden, der dritte, Joseph Lessong, wird durch eine Prüfungskommission aus einem Kreis von Bewerbern ausgewählt. Der Vierte im Bunde derer, die das Geschick des Seminars mitbestimmen, ist der 1832 ins Kollegium eintretende Salomon Leviseur. Sie unterrichten sowohl an der Schule als auch am

 

..