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hältnisse [Verhältnisse] würden sich in Zukunft günstiger entwickeln, wenn, wie sich anbahne, der Staat Zuschüsse auch zur Unterhaltung israelitischer Schulen und Lehrergehälter leisten werde. Bei hochgeneigter Gewahrung der erbetenen Subventionen werden wir imstande sein, die Freistellen zu vermehren, auch solche Angehörige der übrigen preußischen Provinzen kreieren zu können. Diese Überzeugung unterbaut das Vorsteheramt mit statistischen Daten, die nachweisen, daß, abgesehen von der Provinz Posen, in Hessen-Nassau die meisten Juden der Monarchie wohnen, von denen der größte Teil wiederum in dem Regierungsbezirk Kassel lebt. Das hat zur Folge, daß von den 412 festdotierten israelitischen Schulen des preußischen Staates 103 in diesem Bezirk liegen. Die Zahl läge noch höher, wenn ausreichend Lehrkräfte vorhanden wären, allein 19 Schulen müssen von Nachbarlehrern betreut werden. Die Notwendigkeit der Erhaltung auch kleinerer Schulen betont das Vorsteheramt mit dem Hinweis auf die Bedeutung des Religionsunterrichts, für den in christlichen Schulen leicht Geistliche einspringen können, der aber für Juden sonst ausfällt: weil nach unserer Überzeugung nur bei nachhaltiger Erweckung und Pflege des Sinnes für Religiosität von den Staatsangehörigen Interesse für die höheren Guter des Lebens und insbesondere Liebe und Hingebung für König und Vaterland und ein gedeihliches Familienleben erwartet werden kann, zumal m Zeiten, in welchen, gleich den letzigen, die Neigung zu realistischen Tendenzen in so hohem Gerade überwiegt.

Dieser Auffassung, daß Staatsmittel das Seminar nicht nur erhalten, sondern weiterentwickeln könnten, stimmt das Provinzial-Schulkollegium zu. Es befürwortet in einem Bericht an den Oberpräsidenten einen Staatszuschuß: Zwar könne das israelitische Seminar bei seinen beschränkten Verhältnissen nicht mit einem wohlorganisierten christlichen Seminar konkurrieren, dennoch ist das, was sie (d. h. die Anstalt) leistet, anerkennenswerth, und die jungen Lehrer, welche in ihr herangebildet werden, erweisen sich der Mehrzahl nach als fleißige, strebsame und geschickte Schulmänner. Besser vorgebildete Anwärter würden den Erfolg noch erhöhen. Dieser Erfolg sei zu erwarten, weil das Vorsteheramt befähigte Lehrer gegen besondere Vergütung mit der Vorbereitung von Präparanden beauftragt habe. Zwar sei die Zahl der Abiturienten mit jährlich vier nicht hoch, aber sie reiche zur Deckung des Lehrerbedarfs. Allerdings hält auch das Provinzial-Schulkollegium es für die günstigste Lösung, jüdische Aspiranten in staatlichen Seminaren der Provinz ... in Gemeinschaft mit den christlichen Zöglingen auszubilden, wenn ihr nicht deren Mangel an Freiplätzen und religiöse Bedenken der Israeliten der orthodoxen Richtung entgegenstünden. Eine Staatsbeihilfe von 3 000,— M könnte dazu beitragen, die Freistellen zu vermehren und einen zweiten ordentlichen Lehrer einzustellen, was beides dringend nöthig erscheint.

Zwei Jahre wird noch weiterverhandelt. Am 18.06.1878 antwortet der Oberpräsident definitiv: Ich habe bei dem Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten wiederholt die Bewilligung eines Zuschusses für das Israelitische Lehrer-Seminar hierselbst in Antrag gebracht. Der Herr Minister hat jedoch auch jetzt die Gewährung eines solchen Zuschusses für unthunlich erachtet. Das Seminar bleibt auch in Zukunft ein Privatunternehmen ohne Subventionen. So wiederholt sich hier zunächst das alte Lied von der Finanznot des Kasseler Seminars, der Verweigerung einer Beihilfe der übrigen israelitischen Provinzen und der Ablehnung staatlicher Unterstützung. Bemerkenswert ist aber, daß Alternativen von staatlicher Seite in Erwägung gezogen werden: die Aufnahme israelitischer Aspiranten in christliche Seminare, oder sogar eine "Verschmelzung" mit israelitischen Seminaren anderer preußischer Provinzen zu einem großen staatlich subventionierten Zentral- [Zentralseminar]

 

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