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Diese, in kurhessischer Zeit oft erhobene, aber nie erfüllte Forderung löst einen vielleicht nicht erwarteten Effekt aus: Die Infragestellung des Seminars überhaupt. Zur Beurteilung dieser Frage fragt das Provinzial-Schulkollegium bei der Bezirksregierung an, ob überhaupt ein Bedürfnis zur Unterhaltung einer Bildungsanstalt für Israelitische Lehrer . . , anerkannt werden muß, und ob das hiesige Israelitische Seminar diesem Bedürfnis im wesentlichen genügt, sowohl was die Zahl der ausgebildeten Lehrer, als was ihre erzieherische und unterrichtliche Befähigung anlangt. Gleichzeitig bittet es zu überprüfen, ob nicht der Synagogengemeinde in Kassel selbst höhere Aufwendungen zuzumuten seien und eventuell sogar die Gemeinden der früheren kurhessischen Provinzen Hanau, Fulda und Marburg Beiträge leisten können. In ihrer Antwort vom 1. Mai 1875 gibt die Regierung zu, daß im ganzen Regierungsbezirk Kassel von 94 Elementarlehranstalten (d. i. israelitische Volksschulen) 20 nicht besetzt seien, also ein fühlbarer Mangel an israelitischen Lehrkräften unverkennbar bestehe; daß auch Königliche Oberschulinspektoren 41 Schulen, an denen Absolventen des Seminars unterrichteten, revidiert und ihren Gesamtzustand mit mindestens genügend beurteilt hätten; aber sie versagt ihre Zustimmung zu Subventionen mit der Begründung, daß bei der geringen Zahl von 3-4 Abiturienten im Jahr eine errechnete Summe von 2 000 Thalern pro Kopf zu hoch für die Ausbildung eines Lehrers, eine Vergrößerung der Zahl aber fraglich sei. Außerdem habe eine große Anzahl der Schulen weniger als 20 Kinder und könne ohnehin nicht für lebensfähig erachtet werden. Die Vorsteherämter in Marburg, Hanau und Fulda seien außerstande, zu den Unterhaltskosten beizutragen. Die Regierung empfiehlt, bis zur eventuellen Einrichtung von Simultan Seminaren die Verschmelzung mehrerer israelitischer Seminare zu einer großen Anstalt aus Staatsmitteln ins Auge zu fassen.

In dem offensichtlichen Bestreben, dem Seminar zu helfen, bittet das Provinzial-Schulkollegium die Regierung um eine erneute Überprüfung der Subventionsfrage und weist darauf hin, daß eine in Aussicht stehende, merkliche Aufbesserung der Lehrergehälter durch Staatszuschüsse auch eine beachtliche Hebung des israelitischen Schulwesens zur Folge haben würde, weil zu erwarten sei, daß sich eine größere Anzahl junger Leute zur Lehrerausbildung melden würde und so die kleinen Schulen erhalten bleiben könnten. Insofern ist es sinnvoll, das Fortbestehen der hiesigen Lehrerbildungsanstalt thunlichst zu fördern, als die im Regierungsbezirk bestehenden christlichen Seminare nicht in der Lage sind, israelitische Aspiranten aufzunehmen und auszubilden, und als die Einrichtung von Simultan-Seminaren, resp. die Verschmelzung mehrerer israelitischer Seminare zu einer großen Anstalt zunächst nicht in Aussicht steht.

Diesen Argumenten gegenüber verschließt sich die Regierung zwar nicht, glaubt aber, daß das Kasseler Seminar von einem größeren Zustrom zum Lehrerberuf kaum profitieren werde, denn die betreffenden Aspiranten der früheren hessischen Provinzen Fulda, Hanau und Marburg werden, wie aus . . . den Berichten der betreffenden israelitischen Vorsteherämtern ersichtlich ist, nach wie vor die Anstalten zu Hannover und Düsseldorf besuchen (gemeint ist wohl Köln, d. Vf.). Diese Ansicht glauben wir um so mehr betonen zu sollen, als bei dem Wegbleiben derselben von dem hiesigen Seminar religiöse Bedenken zu Grunde zu liegen scheinen.

Auf die Einwände erwidert das Vorsteheramt 14.02.1876, die geringe Frequenz des Seminars resultiere daraus, daß finanzielle Mittel bisher nur für 8 Freistellen zur Verfügung gestanden hätten, die ausschließlich bedürftigen Bewerbern aus dem ehemaligen Kurhessen vorbehalten gewesen seien. Die Ver- [Verhältnisse]

 

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