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dig [vollständig] gefunden hat. Lehrer, die bei einer einzigen Prüfungskommission schon bei der Vorbereitung zu einem neologischen Standpunkte erzogen würden, um die Prüfung zu bestehen, seien für die strenggläubigen Gemeinden ganz unmöglich, diese auch nicht darauf angewiesen, weil es in Preußen bereits Anstalten gibt - und unter höchstem Beistand recht bald noch mehr geben wird - deren absolvierte Lehrer vollkommen unsern Anschauungen genügen.

Diesem Protest schließt sich das Hanauer Vorsteheramt an: Für den Fall, daß der fragliche Beschluß auf den Antrag des Vorsteheramtes zu Cassel erfolgt sein sollte, und dieses - da alle seine bisherigen Bestrebungen, die dortige israelitische Schullehrer-Bildungsanstalt zur Bildungs-Anstalt für sämtliche Israeliten Kurhessens zu erheben, glücklicherweise bis jetzt erfolglos geblieben sind - die Ausübung eines indirekten Zwanges zum Besuch der fraglichen Bildungsanstalt hierbei beabsichtigt haben sollte, erlauben wir uns gehorsamst zu bemerken, daß auch hierdurch bei den jetzigen politischen Verhältnissen . .. das von dem Vorsteheramt zu Cassel schon lang erstrebte Ziel nicht zu erreichen ist. Die Regierung fällt am 16.11.1870 ein salomonisches Urteil: reine Religionslehrer können weiterhin in allen vier Städten, Volksschullehrer aber nur in Kassel geprüft werden.

Wenn das Kasseler Vorsteheramt tatsächlich hinter dieser Maßnahme gesteckt haben sollte - aus den Akten geht das nicht hervor -, so wäre das nicht verwunderlich; denn sie entspricht in ihrer Tendenz den Erwartungen, die Pinhas, Büdinger, ja schon Jacobson, an das israelitische Seminar geknüpft, und um deren Verwirklichung sich das Vorsteheramt seitdem ununterbrochen bemüht hatte. Was bisher durch Verhandlungen und Argumente nicht gelungen war, einen provinzübergreifenden, gleichmäßig ausgebildeten Lehrerstand zu entwickeln, wird jetzt partiell durch einen nüchternen Verwaltungsakt von oben dekretiert: mögen auch die Ausbildungswege den israelitischen Lehrern des ehemaligen Kurhessen noch freigestellt bleiben, ihre Prüfungen werden jetzt vereinheitlicht. Ob Jakob Stein hier seine Hand mit im Spiel gehabt hat, ist nicht nachzuweisen. Sicher widerspricht seine ganze Mentalität der Verhängung von Zwangsmaßnahmen; aber auch sein Sinnen und Trachten während seiner ganzen Amtszeit ist darauf gerichtet, die israelitischen Lehrer Hessens zusammenzuführen. Das zeigt vor allem eine von ihm schon 1869 gegründete "Israelitische Lehrerkonferenz Hessens". Deutlich geworden wie nie zuvor ist in dem Schreiben Enochs, worin die Abneigung der Provinzen gegen das Seminar in Kassel begründet liegt.

Im Hinblick auf das bevorstehende 50jährige Jubiläum des Seminars, das eine Erfolgsbilanz von mehr als 160 ausgebildeten Lehrern aufzuweisen habe, erachtet es das Vorsteheramt am 29. Dezember 1873 als eine Forderung des Rechts wie der Billigkeit,1 dem Seminar wie den Lehrerseminarien aller anderen Confessionen finanzielle Hilfe aus der Staatskasse zu gewähren. Da von den Juden ganz wie von den Bekennern aller anderen Confessionen alle Staatslasten mitgetragen werden, letztere auch bedeutende Zuschüsse für ihren Cultus erhalten, was billigerweise auch für den jüdischen zu geschehen hätte, so kann die Verpflichtung des Staates, die zur Bildung der jüdischen Lehrer bestimmten Anstalten zu subventionieren, nicht in Frage gestellt werden.

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1 StAM, Best. 152, Pr.-Sch. Nr. 2151. Ebd. alle folgenden Zitate.

 

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