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der in Preußen bestehenden Lehrerseminare für jüdische Zöglinge auf den Staat zu übernehmen, sind unzutreffend. Es schweben vielmehr Erwägungen, in Ausführung des Artikels 143, Abs. 2 der Reichs Verfassung die Lehrerbildung umzugestalten und die bestehenden Seminare abzubauen.1

Mit diesem Hinweis auf den Satz der Weimarer Verfassung, die Lehrerbildung ist nach den Grundsätzen, die für die höhere Bildung allgemein gelten zu regeln, wird dem Vorsteheramt bedeutet, daß auch die seminaristische Ausbildung jüdischer Volksschullehrer fallen wird. Darauf reagiert das Vorsteheramt am 30. Juni mit einem Schreiben an das Provinzial-Schulkollegium: Die großen Lasten, die das mit einem Internat verbundene israelitische Lehrerseminar . . . verursachen, die dauernd wachsen und in Zukunft unerschwinglich sein werden und den Bestand der jüdischen Gemeinde unseres Bezirks schwer gefährden, zwingen uns zu unserem Bedauern, das israelitische Seminar mit möglichster Beschleunigung, und zwar mit Schluß dieses Schuljahres (9. Juli d. J. [ 1920]; aufzuheben.

Dieses Schreiben trägt folgende Randnotiz des Referenten im Provinzial-Schulkollegium: Meines Erachtens kann eine Unterrichtsanstalt nur mit unserer Genehmigung aufgehoben werden, und wir genehmigen nur den allmählichen Abbau, nicht das plötzliche Eingehen der Anstalt. Sollten von den Seminaristen Beschwerden kommen, würde ich den Standpunkt gegenüber dem Vorsteheramt zur Geltung bringen. Im andern Falle werden wir die Angelegenheit auf sich beruhen lassen können. Wegen der Lehrer bleibt wohl auch das Weitere abzuwarten.

Ob mit dem Beschluß des Vorsteheramtes und seiner dilatorischen Behandlung durch die staatlichen Behörden das Seminar definitiv aufgelöst wird, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, sondern nur daraus schließen, das 1921 Lazarus als Hauptlehrer und Moses als Lehrer an der mittlerweile 3-klassigen israelitischen Volksschule angestellt werden. Das heißt, daß das israelitische Lehrerseminar sechs Jahre früher als die staatlichen Seminare seine Tore geschlossen hat. Wie der Lehrerbedarf an jüdischen Schulen bis zum ersten Entlassungsjahrgang an der neuen Pädagogischen Akademien 1928 gedeckt wird, läßt sich nicht feststellen. Vermutlich hat ein Überhang seminaristisch ausgebildeter Lehrer ausgereicht, die ohnehin schrumpfende Anzahl der Stellen zu besetzen. Auf jeden Fall ist mit der Schließung des Kasseler Seminars die eigenständige israelitische Lehrerbildung zu Ende. Juden, die Lehrer werden wollen, sind zunächst auf die neuen konfessionellen christlichen Pädagogischen Akademien angewiesen. Erst 1927 bekommen sie die Chance an der simultanen, auch mit einer Dozentur für jüdische Religion ausgestatteten Akademie in Frankfurt zu studieren. 2

 

V. Nachwort

1. Dies ist die "äußere" Geschichte des israelitischen Lehrerseminars in Kassel. Über die "innere", pädagogische Seite sagt sie nur wenig aus, da diese in Behördenakten kaum zum Ausdruck kommt. Wo sie am Rande gestreift

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1 StAM, Best. 152, Pr.-Sch. Nr. 2152. Ebd. alle folgenden Zitate.

2 Vgl. Zierold, Kurt/Rothkugel, Paul: Die Pädagog. Akademien, 2., erw. Aufl., Berlin 1931, S. 196.

 

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