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mit der Rabbinatsprüfung und der Promotion zum Dr. phil. abgeschlossen. Anschließend war er als Prediger und Religionslehrer nach Köln gegangen, wo er die Rektoratsprüfung, mit der Theologen sich für den Schuldienst qualifizieren konnten, abgelegt hatte. 1897 beruft ihn das Kasseler Vorsteheramt zum Dirigenten ihres Seminars. Hier tritt er in die Fußstapfen Jakob Steins und übernimmt dessen Funktionen in Seminar und Kasseler Schulen. Zugleich verfaßt er zahlreiche Schriften zur jüdischen Geschichte im allgemeinen und zur regionalen im besonderen. Dem Vorsteheramt ist er kein so bequemer Partner wie sein Vorgänger. Er beharrt auf seinen Kompetenzen, trifft auch manchmal Entscheidungen, die ihm nach Meinung des Schulvorstandes nicht zukommen, und erhebt Rechtsansprüche, wie etwa die einer verbindlichen Gehaltsskala, die er auch gegen den Willen des Vorsteheramtes mit Unterstützung des Provinzial-Schulkollegiums durchsetzt. Die durch solche "Eigenmächtigkeiten" ausgelösten Mißstimmungen baut er aber bald durch sein tatkräftiges Engagement ab, so daß er sogar zum Seminardirektor befördert wird. 33 Jahre steht er im Dienste des israelitischen Bildungswesens, davon 23 Jahre als Leiter des Seminars und nach dessen Auflösung 10 Jahre als Hauptlehrer der israelitischen Volksschule in Kassel. 1930 tritt er in den Ruhestand. Heutige alte Kasseler Bürger könnten ihn noch gekannt haben.

1906 kommt zu ihm und Moses Katz als dritter ordentlicher Lehrer Josef Moses hinzu. Am 26. Juli 1879 in Treysa geboren, hatte er das israelitische Seminar in Hannover besucht, war Lehrer in Wunstdorf gewesen und hatte dort die Rektoratsprüfung abgelegt. 1930 übernimmt er die Leitung der Kasseler israelitischen Volksschule.

Insgesamt gesehen, hat das israelitische Seminar in Kassel - wenn auch mit einigen Abstrichen - eine Form gefunden, die der der staatlichen Seminare gleicht und die es ihm ermöglicht, den staatlichen Anforderungen entsprechende qualifizierte Lehrer auszubilden. Heinrich Theodor Kimpel, der Verfasser der Geschichte des Kasseler Volksschulwesens, bezeichnet es 1913 als ein Seminar, das noch heute blüht.1

 

IV. Das Ende

Während des 1. Weltkrieges werden Notprüfungen abgenommen; die jungen Seminaristen "eilen zu den Fahnen", drei von ihnen finden ihren Platz auf der Gefallenen-Gedenktafel in Kimpels "Ehrenbuch der hessisch-waldeckischen Volksschule.2 Überlebende kehren nach dem Kriege ins Seminar zurück, absolvieren Sonderlehrgänge oder besuchen wieder reguläre Klassen. Am 1. Februar 1920 legen fünf Seminaristen ihre Erste Lehrerprüfung ab. Sie sind vermutlich die letzten Absolventen der israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Kassel.

Das Ende der Lehrerbildungsanstalt ist etwas mysteriös. Am 14. April 1920 beantwortet der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung eine (in den Akten nicht auffindbare) Eingabe des Vorsteheramtes vom 4. März: Die Nachrichten, nach denen die Unterrichtsverwaltung beabsichtigen soll, eines

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1 Kimpel, H. Th./Kreitz, W.: Das Casseler Volksschulwesen in Vergangenheit u. Gegenwart, Cassel 1913, S. 120.

2 Kassel 1919, S. 205.

 

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