..

17

Rainer Polley

"Landes-Bemerkungen"

Landgraf Wilhelms IX. von Hessen-Kassel auf seinen Landreisen im Jahre 1791

Zu wichtigen und überwiegend verläßlichen Quellen der landesgeschichtlichen Forschung zählen von der frühen Zeit bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts Archivalien über staatliche Visitationen, die der Kirchenaufsicht oder der Verwaltungs- und Gerichtskontrolle lokaler Stellen dienten. Die Staatsarchive sind reich an Protokollen und Berichten, die von vorgesetzten regulären Landesstellen oder besonderen Beauftragten des Landesherrn bei der Prüfung der örtlichen kirchlichen oder administrativen Verhältnisse verfaßt worden sind.

Seltener waren Visitationen und Landbereisungen zur Erkundung des allgemeinen Zustandes des Territoriums durch den Landesherrn persönlich. Wir können diese Praxis aber noch bei Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel, seit 1803 Kurfürsten Wilhelm I., feststellen. Im Hessischen Staatsarchiv Marburg (Best. 4a Nr. 93,8) liegen interessante Protokolle der Ämterbereisungen und Landvisiten, die der Erbprinz Wilhelm IX. von 1780 bis 1785 als regierender Graf in der Grafschaft Hanau vorgenommen hat. Auch als Landgraf von Hessen-Kassel (seit 1785) nahm Wilhelm Landbereisungen vor. Erhalten sind in dem gleichen Bestände 4a das Tagebuch einer Landbereisung aus dem Jahre 1791 (Nr. 93,14) und Bemerkungen des späteren Kurfürsten bei Gelegenheit der Landreisen im Jahre 1816 (Nr. 94, 16).

Widmen wir uns hier nur dem lebendigeren Tagebuch von 1791. Es dokumentiert die Reisen, die der Landesherr im Zeitraum vom 21. Februar bis zum 17. Oktober 1791 unternahm. Mehr oder weniger ausführlich beschriebene Reiseziele waren in folgender Reihenfolge: Amt Gudensberg, Amt Homberg, Holzhäuser Eisenhütte, Amt Borken, Vorwerk Marienrode, Ziegenhain, Marburg, Grafschaft Hanau, Amt Sababurg (vor allem Veckerhagen), Allendorf an der Werra, Schmalkalden, Vacha, Hersfeld, Altmorschen, Melsungen, Hofgeismar, Grafschaft Schaumburg (Rinteln, Amt Rodenberg, Kurbad Nenndorf), Amt Kloster Haina, Amt Hessenstein, Amt Frankenberg und Wetter, Marburg, Rheinfels, Schlangenbad, Wilhelmsbad, Hanau und Kellerei Naumburg. Das Tagebuch zeichnet sich dadurch aus, daß der Landesherr das Erfreuliche und Kritikwürdige, das ihm bei seiner Fahrt durch die Ämter zu Augen und Ohren kam, selbst auswählte und mit eigenen Worten wiedergab. Er nannte, was er niederschrieb, "Landes-Bemerkungen". Dabei bediente er sich bisweilen einer sehr pointierten Sprache, die die Schilderung zu einer Kuriosität werder [werden] läßt. Über seinen Besuch in Gudensberg am 21. Februar 1791 notierte er nur kurz: Die alte Franckfurther Straße ist abscheulich; die Reinlichkeit in der Stadt mäsig; der Justiz-Beamte mittelmäsig.

Sehr ausführlich fiel demgegenüber die Schilderung des Besuches in der Herrschaft Schmalkalden vom 8. bis 10. Juni 1791 aus, der wir nach der Wiedervereinigung unseres deutschen Vaterlandes und der enger gewordenen Nachbarschaft zwischen Hessen und Thüringen einen besonderen Stellenwert einräumen möchten. Sie zeigt auch am besten die patriarchalische Gesinnung dieses Landesherrn, der bei allem konservativem Fürsten- [Fürstenstolz]

 

..