..

18

 

Das Doppelkreuz am Linggplatz war ursprünglich ein wichtiges Hoheitszeichen der Abtei; denn an dieser Stelle begann die Klosterimmunität, das heißt der Bereich, der nicht mehr der Stadt, sondern dem Abt unterstand. Damit ist unser Doppelkreuz zunächst einmal eindeutig als Grenzkreuz anzusprechen, das das Gebiet der Stadt und das des Klosters voneinander trennte. Zweitens setzte hier die geistliche Gerichtsbarkeit des Abtes ein, während die weltliche der Stadt am Grenzstein endete. Dicht daneben muß nach alter Überlieferung die Gerichtslinde des Stiftes gestanden haben, unter der man Recht sprach. Deshalb war das Kreuz auch eine Freistatt für Verfolgte, denn wenn ein Totschläger hierher flüchtete, durfte er (nach Merian) nicht eher vom Stadtrichter und seinen Schergen ergriffen werden, als bis der Abt zu seinem Fall Stellung genommen hatte.

So besaß unser Kreuz im Mittelalter für die damalige Zeit eine große Bedeutung. Es bleibt die Frage nach seinem Alter und warum es gerade ein Doppelkreuz war, das an der Nahtstelle zwischen Stift und Stadt gleichsam als Sinnbild für den Hoheitsanspruch des Abtes einst aufgestellt wurde. Seit wann es dort steht, läßt sich heute nicht mehr mit letzter Gewißheit feststellen, da wir darüber keinerlei schriftliche Quellenaussage vorliegen haben. Von seinen schlichten Stilmerkmalen her ist es eine romanische Arbeit, am wahrscheinlichsten aus dem 11. Jahrhundert. Es soll einmal rot angestrichen gewesen sein, auch wenn an dem leicht beschädigten Objekt heute davon keine Spur mehr zu entdecken ist. Wenn die eben genannte Vermutung über das Alter des Steines stimmt, stünde der Kreuzstein jetzt bereits fast 1000 Jahre und wachte darüber, daß kein Städter die Rechte der Abtei verletzt. Er wäre also etwa gleichzeitig mit dem ersten Brand der Abteikirche von 1038 oder nur wenig später aufgestellt worden. Ein Doppelkreuz war es, weil dies das Kloster als Reichsabtei kennzeichnete, und zu diesem erlauchten Kreis reichsunmittelbarer Klöster gehörte unserer Abtei bekanntlich schon seit 775. Das meist unbeachtet am Wegesrand stehende Steinkreuz zeugt also von mittelalterlichen Rechtsverhältnissen und damit von einer Zeit, die in vielem völlig anders war und anders dachte als wir heute.

 

Literatur

Traugott Classen, in: Heinrich Riebeling, Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen. 1977, S. 111.

Dieter Handtke: Historischer Rundgang durch Bad Hersfeld. 1992, S. 13.

Waldemar Zillinger

 

 

..