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zunächst zu revolutionären Unruhen in und um Hanau, dann auch zu Demonstrationen in Kassel und Marburg. Polizei und Militär waren überrascht von der Breite der Bewegung und der Massivität der Forderungen und verhielten sich abwartend. Eine ultimativ formulierte Sturmpetition aus Hanau bewirkte schließlich die Einsetzung einer liberalen Regierung unter Führung des liberalen Hanauer Oberbürgermeisters und langjährigen Landtagsmitglied Bernhard Eberhard und die Zusage des Kurfürsten, die in der Verfassung längst niedergeschriebenen Grund- und Bürgerrechte auf Religions- und Gewissensfreiheit, Petitions-, Vereins-, Versammlungs- und Pressefreiheit nunmehr auch tatsächlich zu gewähren. Der Landtag veränderte auch ohne Neuwahl schlagartig sein Gesicht. Zum Teil verzichteten die Reaktionär-Konservativen aus eigenem Entschluß auf die weitere Teilnahme, zum Teil wurden sie von ihren gräflichen und fürstlichen Auftraggebern abberufen und durch konstitutionelle und liberale Männer ersetzt.

 

Neue Regierung, liberaler Landtag, Reformversprechen und ein fast demokratisches (Männer)Wahlrecht für die Frankfurter Nationalversammlung befriedigten die Bevölkerung jedoch keineswegs. Die soziale Not der pauperisierten Unterschichten entlud sich im April und Mai 1848 in gewalttätig verlaufenden „Exzessen" gegen tatsächliche oder vermeintliche Bedrücker, vor allem einzelne Adlige, Fabrikanten und jüdische Kaufleute. Und das Mißtrauen der Kasseler Bürgerschaft gegen den Kurfürsten und seine Leibgarde führte in der sogenannten Garde-du-Korps-Nacht am 9.4.1848 zur Erstürmung des Kasseler Zeughauses und erzwungenen Verlegung der Leibgarde von Kassel nach Hofgeismar.

 

Erst das Zusammenwirken von Militärexpeditionen, Nothilfemaßnahmen, passablen Ernteergebnissen und Verbreiterung der politischen Partizipationsmöglichkeiten entspannte die Situation so, daß es im Herbst 1848 trotz der empfindlichen Niederlagen der Demokratie in Wien und der Paulskirche in der Schleswig-Holstein-Frage nicht zu erneuten Unruhen kam.

 

Der Verzicht auf Gewaltanwendung erwies sich angesichts der legislatorischen Fortschritte in Kurhessen auch als durchaus berechtigt. Unter Überwindung des hinhaltenden Widerstandes des Kurfürsten gelang den Ministern und dem Landtag in konzertierter Aktion die Verabschiedung einer Reihe von Reformgesetzen, welche in ihrer Gesamtheit einen

 

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