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geblieben. Entscheidend war dabei freilich,
dass Deutschland schon bald nach
Kriegsbeginn über lebenswichtige Lieferungen
aus seinen rücksichtslos ausgebeuteten
Besatzungsgebieten verfügte.
Erst kurz vor Kriegsende verringerten
sich die Zuteilungen spürbar. Ähnliches
gilt übrigens für die industrielle Produktion,
die während des Krieges freilich fast
ausschließlich aus Rüstungsproduktion
bestand und die trotz aller Bombardierungen
1944 noch einen Höchststand
ihrer Leistung erreicht hatte.
Es war abzusehen, dass sich die auf brutaler
Ausbeutung anderer Menschen und
Länder beruhenden Lebensbedingungen
der deutschen Zivilbevölkerung im Falle
einer Niederlage radikal verändern würden.
Die Verringerung der Zuteilungen
an Lebensmitteln bedeutete aber vorerst
nichts anderes als das Ende eines Unrechts,
das Ende der Ausbeutung anderer.
Soweit der Mangel an Arbeitskräften Ursache
für die Verringerung der Erzeugung
war, so heißt das mit anderen Worten
nur, dass den bäuerlichen Betrieben
jetzt keine Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen
zur Verfügung standen, um sie
anstelle der abwesenden männlichen Arbeitskräfte
einzusetzen. Nicht zu vergessen
ist im übrigen, dass die Lebensmittelversorgung
in der britisch-amerikanischen
Bizone noch deutlich besser war
als in den beiden anderen Zonen. Am
schlechtesten sah es in der französischen
und nur wenig besser in der sowjetischen
Besatzungszone aus.
Im Bericht der städtischen Polizei für die
amerikanische Militärregierung vom
Januar 1948 wird die Situation nach einer
eingehenden Schilderung der Ernährungs-
und Versorgungslage folgendermaßen
kommentiert: "Bei dieser Sachlage
wird es von der Bevölkerung nicht
verstanden, dass während sie darbt, die in
Deutschland untergebrachten ausländischen
Flüchtlinge, vorwiegend polnische
Juden, die niemals vordem in Deutschland
ansässig waren, ein Drohnendasein
führen, aus deutschen Vorräten eine Lebensmittelzuteilung
erhalten, die weit
über der deutschen Zuteilung liegt. Ihre
Geschäftigkeit ist eine der wesentlichen
Quellen des Schwarzhandels. Durch ihr
böses Beispiel und ihr Verhalten bekommt
der in weiten Kreisen immer noch
unter der Oberfläche schwälende (sic!)
Antisemitismus neuen Auftrieb..."4, was
sich vor allem in diesem Text über die
"DPs" (Displaced Persons) zeigt, ist das
offensichtlich kaum vorhandene Bewusstsein
über die Verstrickungen in das
Unrecht des NS-Regimes, das Ignorieren
jeglicher Verantwortung und die fehlende
Bereitschaft, eine wenigstens teilweise
Schuld oder Mitschuld anzuerkennen.
Lassen wir abschließend den deutschfranzösischen
Politologen Alfred Grosser
zu Wort kommen, der schon 1970 in
seiner hierzulande nicht immer unbedingt
wohlwollend aufgenommenen "Deutschland-
Bilanz" jenes "gegenseitige Nichtverstehen"
als den "tragischsten Zug
jener düsteren Zeit" beschrieb: "Wenn
der ausländische Besucher die Klagen
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