Beschreibung der einzelnen Landesteile und Ortschaften. Bemerkenswert sind Dilichs radierte Stadtansichten, bei denen es ihm im Gegensatz zu vielen seiner zumeist sehr schematisch arbeitenden Vorgänger gelingt, eine harmonische Verbindung von Stadt und Land, von Architektur und Natur herzustellen. Diese Art der Darstellungsweise wird in der folgenden Zeit vorbildlich. Merians "Topographia Hassiae" (1646) zum Beispiel enthält achtzig Abbildungen hessischer Städte, die er Dilichs Vorlagen nach gestochen hat.4
Der zweite Teil der Chronik, in dem Dilich den historischen Werdegang des Landes vorführt, geht zumeist auf ältere Chroniken Hessens zurück.5 Dilich benutzt sie ganz selbstverständlich, ohne extra auf sie hinzu-weisen oder sie zu zitieren. Für die Darstellung des 13. und 14. Jahrhunderts stützte er sich vor allem auf die Chronik von Thüringen und Hessen des Wigand Gerstenberg (1457-1522), die zwischen 1493 und 1515 entstand.6 Eine weitere historiographische Vorlage für Dilichs Werk war die Hessenchronik von Johannes Nuhn (1442 - nach 1523), die bis in die zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts reicht.7 Die wichtigste Quelle Dilichs, vor allem für die Vor- und Frühgeschichte des Landes und für die Zeit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, war aber wohl die Chronik Wigand Lauzes (um 1500 - um 1561), die Dilich in weiten Teilen übernahm.8
Wigand Lauze, Hofhistoriograph Philipp des Großmütigen, war der erste hessische Ge-schichtswissenschaftler, der seinem Werk im Sinne des frühen deutschen protestantischen Humanismus einen ausgesprochen patrioti-schen Grundtenor verlieh.9 So beginnt der bis heute unpublizierte erste Teil seiner Chronik "Von dem löblichen Herkommen, Geschlech-ten, Leben, Thaten und Absterben der Könige und Fürsten zu Hessen, auch was sich bei eines jeden Regierung in derselben Land-schaft zugetragen und verlaufen hat" mit der Beschreibung des sagenhaften Erzvaters aller Deutschen Ascennas, der den Beinamen Thuisco führte und der nach Lauze 254 Jahre nach der Sintflut lebte. Von diesem "ersten König in Hessen" entwickelt er seine Ge-schichte des Landes bis hin zur Regierungs-zeit Philipps des Großmütigen. Dieser, für Lauze zeitgenössischen Epoche, widmet er den zweiten Teil seines historischen Werkes unter dem Titel: "Leben und Thaten des Durchleuchtigsten Fursten und Herren Phi-lippi Magnanimi Landgraffen zu Hessen".10 Neben den üblichen antiken und biblischen Gewährsleuten, auf die er sich bei seiner historischen Abhandlung stützte und die er immer wieder im Gegensatz zu Dilich minu-tiös zitiert, benutzte er auch die in Marburg am landgräflichen Hof und der Universität reich vorhandenen Historiographien, wie die von Celtis, Irenicus, Beatus Rhenanus, Krantz, Hedio und Sleidan. Landgraf Philipp war, wie auch andere protestantische Landes-herren der ersten Stunde, ein besonderer Förderer der Historiographie.
Neben Pirckheimer war es Melanchthon, der in Deutschland als erster die besondere Be-deutung dieses Wissenschaftszweiges für das protestantische Erkenntnisinteresse betont hatte. Gerade das geschichtliche Oeuvre Sleidans hatte Philipp besonders gefördert. So übernahm Lauze vor allem den patriotischen Impetus der frühen protestantischen Histo-riographien und feierte Landgraf Philipp als "Vatter des Vatterlandes", eine Bezeichnung, die Dilich in seinen Werken immer wieder im Zusammenhang mit Landgraf Moritz aufgriff. Historiographisch interessant sind Lauzes Ausführungen vor allem für das 16. Jahrhundert. Hier benutzte er neben zeit-genössischen historischen Kompendien Flug-schriften, gedruckte Ausschreiben und Ver-ordnungen aus beiden verfeindeten konfes-sionellen Lagern. Außerdem konnte er auf einschlägiges Aktenmaterial und auf Infor-mationen hochrangiger Beamte der Landgrafschaft zurückgreifen und auf die profunden zeitgenössischen Kenntnisse befreundeter Mitglieder der Marburger Universität.