und der Diskussion über die Reform der bisherigen Erziehungsgrundsätze und -formen in den hessischen Heimen. Die Auseinandersetzung mit dem Thema erreichte Schüler, Universitätsstudenten, Richter und Staatsanwälte und Medienvertreter und wurde schnell Teil der anti-autoritären Gesellschaftsvorstellung der APO-Bewegung.
In den Jahren nach 1970 wurden in einer grundlegenden Reform der Heimerziehung vom LWV Hessen ganz neue Wege beschritten. Die großen Heime wurden aufgelöst oder verkleinert, und man ging vom Prinzip der Fremdplatzierung ab und hin zu einer individuellen Betreuung. Das Angebot der erzieherischen Hilfen durch den LWV Hessen, um der Heimeinweisung vorzubeugen, wurde erweitert sowie Modelle auch von freien Trägern finanziell unterstützt. Die in der Fachdiskussion länger schon geforderten ambulanten Hilfen – Familienhilfen, ‚Arbeit in sozialen Brennpunkten‘, Erziehungsberatung, Jugendhelfer und Erziehungsstellen – wurden ausgebaut. Die fachliche Qualifikation des Erzieherpersonals in den Heimen wurde verbessert, indem für die Einstellung eine pädagogische oder fachtherapeutische Ausbildung vorausgesetzt wurde.
Die vom LWV Hessen geplante Wanderausstellung wurde von Dr. Bettina von Andrian und dem Verf. konzipiert. Ziel ist es, sie bis 2011 zu erarbeiten und ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Im Mittelpunkt sollen Jugendheime des LWV Hessen stehen und einzelne Lebenswege von Minderjährigen wie die Lebens- und Arbeitswelt der Erzieher im Heim vorgestellt werden. Die Ansprüche der Heimerziehung und die Lebenswirklichkeit der minderjährigen Heimbewohner sollen herausgearbeitet und die organisatorischen, personellen und materiellen Ursachen für Defizite in der Umsetzung des Erziehungsauftrags dargestellt werden. Die politischen und sozialhistorischen Rahmenbedingungen werden ebenso thematisiert, etwa die Traditionen der öffentlichen Fürsorgeerziehung seit dem späten 19. Jahrhundert. Die Grundsätze der Heimerziehung müssen in ihren zeitbedingten Kontext gestellt werden, so dass geltende Erziehungsmaßstäbe einer Zeit richtig bewertet werden können. Schon in fünfziger Jahren wurde das Schlagwort der Restauration geprägt und der Vorwurf formuliert, man habe nach 1945 keinen Neuanfang gewagt. Hier hat sich seit einiger Zeit ein differenzierendes Bild durchgesetzt. Wirtschaftsverfassung, politische Ordnung und Westbindung stünden danach für eine Neuorientierung, während in der Innen- und Gesellschaftspolitik traditionelle Wertvorstellungen fortlebten. Es ist daher zu fragen, ob sich die Politik einer gesellschaftlichen und politischen Modernisierung Hessens nach 1945/50 als bewusstes Gegenmodell zum Bund – gerade im Schul- und Erziehungsbereich – auch auf die Situation in den Heimen niedergeschlagen haben könnte.
Kontakt: Landswohlfahrtsverband Hessen. Archiv, Gedenkstätten, Historische Sammlungen
Leiterin: Frau Prof. Dr. Christina Vanja, Ständeplatz 6-10, 34117 Kassel, Tel. 05 61 - 10 04 22 77, E-Mail kontakt-archiv@lwv-hessen.de, Internet www.lwv-hessen.de.
Jörg Westerburg, ZV Kassel