..

291

 

S. 271 also berichtet wird: „Tafel IX, Figur 1 stellt die Bildsäule einer kleinen nackten weiblichen Figur aus terra cotta vor, die mit der linken Hand ihr über die Schultern herunterwallendes Haar angreift und mit der rechten eine auf einem abgesonderten Sockel neben ihr stehende nackte kleinere weibliche Figur, die aber mit beiden Händen ihr herunterhängendes Haar aufnimmt, auf den Kopf faßt, während ein zu ihren Füßen sitzender Adler mit lang gestrecktem Halse zu ihr hinaufblickt.“ Fehlt auch bei den beiden obigen Statuetten der Adler und ist die Verwendung der Hände eine abweichende, so möchte doch die ganze Stellung, das Heben des Armes und Ergreifen des Haares, sowie die beigegebene kleinere Figur und das Erfassen derselben am Kopfe zu charakteristische Uebereinstimmungen sein, als daß man nicht die gleiche Absicht der Darstellung vermuthen dürfte. Auch der Hamburger Berichterstatter hält die größere Figur für Venus Anadyomene und erinnert an zwei Venusbilder zu Rom und Florenz in der Geberde, als presse die Göttin ihr nasses Haar mit den Händen an den Kopf. Da aber die kleinere weibliche Figur und weiter ein Adler zur Seite stünden, möchte sie der erwähnte Berichterstatter eher für Diana, die Gattin des Zeus, auf welcher der Adler anspiele, halten, mit welcher er nach Homer die Aphrodite zeugte. Letzteres scheint uns weniger annehmbar: jedenfalls haben wir in der größern Figur Venus zu sehen und ihren Bezug zu der kleinern Figur vorerst einer uns noch unbekannten, vielleicht eigenthümlichen Auffassung der Liebesgöttin bei den keltischen Völkern beizumessen, zumal auch die Matronen nicht blos mit ein oder zwei Säuglingen an der Brust, sondern auch mit größern Kindern zur Seite abgebildet werden, wie denn auch die Abundantia in Begleitung eines Kindes sich dargestellt findet. Die wohlthätigen, jeglichem Haussegen vorstehenden, Mütter der Kelten, die alles belebende Liebesgöttin, Abundantia endlich mußten gegenseitig so viele Berührungspunkte darbieten, daß die Auffassung aller bei der Mischung römischer und keltischer Götterverehrung mannichfache Gestaltungen und Bezüge hervorrufen mochte, welchen die ursprüngliche Bedeutung dieser Wesen an sich zuerst ferner lag.

II.

Nicht minder eigenthümlich als diese Darstellungen der Venus erscheint die Darstellung einer andern Gottheit, des Mercurius, dessen Cultus, durch unzählige inschriftliche und plastische Denkmäler beurkundet, in den römisch-keltischen Ländern um so verbreiteter sein mußte, als die Kelten und Germanen bekanntlich keine

 

..