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[Meeres]göttin Ran betroffen, hart bedroht und rauh aus ihrem Reich gewiesen wurde, deßhalb noch jetzt auf der Flucht ist, und auf dieser Flucht nun, wie eine blinde Kuh, bald in die zu kalten, bald in die zu heißen Gegenden kommt, das galt bei den alten Deutschen für eine ausgemachte Sache. §. 2. Die Brüder dieser Erdgöttin waren dem Vater nachgeschlagen und konnten fliegen; sie suchten also ihre Schwester auf und thun das noch fortwährend; und wenn der Eine oder der Andere sie nun trifft, so ist große Freude, das größte Fest aber, wenn sie auf diesem Ausflug alle drei zusammen sich treffen, daher denn deßhalb jedesmal auch von den Menschen ein großes Fest gefeiert und der Anfang eines neuen Jahrs mit allen erdenklichen Freudenbezeichnungen begangen wird; und wurde das Bild der Erdgöttin hier durch ein Rind (ihr nordischer Name Rindur) oder eine Kuh, indem ihr schwimmendes Thier (mochte es ursprünglich nun eine Hinde, oder Katze, oder was sonst gewesen sein ) durch die darüber gebildeten Zeichen der Sonne und des Mondes in ihrer Vereinigung einem Rind oder einer Kuh ähnlich wurde, weil der Mond sich bald in ein Hörnerpaar verwandeln mußte. — In der Heraldik kommt dieses Bild noch oft vor, doch nennen unsere Wappenmaler die Sonne nur einen sechs- oder achteckigen Stern. §. 3. Dieses hohe Fest wurde nun, durch die Eintheilung des Jahres in zwei Jahreshälften oder in drei oder vier Jahreszeiten, verdoppelt, verdreifacht oder vervierfacht, und verwandelte sich daher die Flucht der Erdgöttin in eine nach bestimmten Festen und Festorten gerichtete Fahrt; und da eines Theils die Ehen, — mit deren Abschluß der Eintritt in den Mitgenuß der Gemeindegüter verknüpft war — an bestimmten Festen geschlossen zu werden pflegten, andern Theils die Erfüllung der ehelichen Pflicht an diesen Festtagen gesetzlich war, so konnte man sagen, die Götterkönigin, welcher jedesmal das Schiff der Erde zugeeignet wurde, eile auf demselben von Wollust zu Wollust, wie denn das eine in dem Solarlied der älteren Edda uns aufbewahrte Strophe ( Str. 77) wörtlich sagt, und zwar mit den Worten : Die Gattin | Odins Auf der | Erde Schiff Sie rudert | lechzend nach | Lust : Die | Segel zieht sie Gar | spät erst ein, Denn nirgend läßt’s | Ruh ihr noch | Rast 1). ______________ 1) Wörtlich: Sie (die Segel) hängen an Stricken der Sehnsucht, des Drangs.
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